Am 30. Januar 2013 kamen Unternehmer, Politiker, Vertreter von Verbänden und Interessengemeinschaften behinderter Menschen beim Fachkongress der CDU/CSU-Fraktion in Berlin zusammen. Das Motto lautete: „Die Einstellung zählt: Wie sich der Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung öffnet“. Für die BAG WfbM nahmen der Vorstand Axel-Willenberg und die Referentin Claudia Fischer teil.
Schwerbehinderte Menschen haben vom Aufschwung bisher wenig profitiert
Der Kongress lud zum Austausch ein. Gemeinsam sollten die Schritte hin zu einem inklusiven Arbeitsmarkt diskutiert werden. In ihrer Begrüßung umriss die Beauftragte für Menschen mit Behinderungen der CDU/CSU-Fraktion, Maria Michalk, die Zielsetzung ihres Engagements. Es gehe darum „Leistungspotenziale von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt auszuschöpfen“. Dahinter steht die These, dass der derzeitige Fachkräftemangel Chancen für Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen bietet: „Denn sie sind in der Regel gut ausgebildet, belastbar und hochmotiviert“, so Michalk.
Werkstätten und reguläre berufliche Bildung nicht gegeneinander ausspielen
Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, beschrieb die Zugangschancen behinderter Menschen differenziert und appellierte: Wir brauchen die Bereitschaft der Betriebe und Unternehmen und wir brauchen professionelle Unterstützung. „Deshalb dürfen wir beschützende Werkstätten und reguläre berufliche Bildung nicht gegeneinander ausspielen“, so Kauder, „wir brauchen beides“. In seiner Einführung brachte er persönliche Erfahrungen ein. Als Sozialdezernent war er an der Gründung eines Vereins für psychisch kranke Menschen beteiligt. Als Angehöriger einer jungen Frau mit Trisomie 21 weiß er die Leistungen von Behinderteneinrichtung zu schätzen.
Demografische Entwicklung: Mehr Menschen mit Behinderung in Unternehmen
Raimund Becker, der Vorstand der Arbeitslosenversicherung der Bundesagentur für Arbeit, setzt auf eine Erhöhung der Anreize für Unternehmer. Im Öffentlichen Dienst werden mehr schwerbehinderte Menschen beschäftigt als in privaten Unternehmen. Als positives Unternehmer-Beispiel präsentierte Ursula Fuggis-Hahn, Geschäftsführerin von Boehringer-Ingelheim, mit der Betriebsrätin Doris Müller den Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen in ihrem Pharma-Unternehmen. Inklusion sei schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen ein Gebot der Stunde. 70 Prozent der Schwerbehinderungen treten im Laufe des Lebens auf. Böhringer-Ingelheim erwarten bis 2020 einen 10-Prozent-Zuwachs von Mitarbeitern mit Behinderungen aus ihrer Belegschaft. Ihr Anliegen ist, Angestellte, bei denen eine Behinderung eintritt, weiter zu beschäftigen.
Gute Beispiele vor Ort
Wie Teilhabe am Arbeitsleben in der Praxis realisiert wird, schilderten Vertreter einer Werkstatt für behinderte Menschen und eines Integrationsunternehmens. Zentral ist für beide eine gute Kooperation mit örtlichen Betrieben und Wirtschaftsunternehmen. Während das Integrationsunternehmen Füngeling Router junge Menschen mit Handicap beim Einstieg in ein reguläres Arbeitsverhältnis bei vier Kölner Edeka-Märkten unterstützt, bietet die Werkstatt ein Angebot für diejenigen, die aufgrund Ihrer Behinderung unter Umständen dauerhaft angepasste Arbeitsprozesse benötigen.
Werkstätten bieten dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben
Unter anderem 50 Außenarbeitsplätze bieten die Lausitzer Werkstätten ihren 400 betreuten Mitarbeitern – und das in einem strukturell schwachen Gebiet. Die erfolgreiche Kooperation mit örtlichen Betrieben – in diesem Fall einem Hersteller von Fernwärmetechnik - stelle Eckhart Friese, Geschäftsführer der Lausitzer Werkstätten in Hoyerswerda gemeinsam mit dem Yados-Geschäftsführer Olaf Besser vor. Besser macht deutlich, dass er als Arbeitgeber auf das Fachwissen und die Struktur der Werkstatt angewiesen ist, um Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung voll erwerbsgemindert sind, Arbeit zu geben.
Dialog der Akteure soll weitergeführt werden
Die Statements im anschließenden Austausch ließen sich schwer in Beziehung setzen – zu divers sind die Ausgangslagen, Perspektiven und Ziele der Akteure. In ihrer abschließenden Zusammenfassung schloss Maria Michalk, dass es an finanziellen Mitteln und Instrumenten für die Eingliederung nicht mangele. „Vielmehr müssten alle vorhandenen Möglichkeiten stärker und konsequenter genutzt werden“, so Michalk. Dass sahen einige Diskussionsteilnehmer anders. Sie wünschten sich optimierte Prozesse, beispielsweise müssten Zuständigkeiten bei der Umsetzung des Persönlichen Budgets geklärt werden. Dafür müsse man den Dialog der Akteure weiterpflegen.
Bundestagsantrag: Christlich-liberale Koalition will Leistungspotenziale ausschöpfen
Am Tag darauf, am 31. Januar, brachte die christlich-liberale Fraktion einen Antrag in den Bundestag ein mit dem Titel: „Leistungspotenziale von Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben ausschöpfen“. In ihrem Antrag stellt die Regierungskoalition auf der dritten Seite der 4-seitigen Bundestags-Drucksache fest: Die „[…] WfbM ist für viele Menschen mit Behinderung die einzige Möglichkeit, Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen“.
Viele Leistungen seien noch an die Werkstätten gebunden oder werden bislang allein durch Werkstätten erbracht. Bezogen auf Werkstätten für behinderte Menschen fordern sie in ihrem Antrag unter anderem:
- Ein Rückkehrrecht in die WfbM, damit Menschen mit Behinderung zum Übergang auf den Arbeitsmarkt ermutigt werden.
- Das Wunsch- und Wahlrecht von werkstattberechtigten Menschen zwischen Werkstätten und alternativen Leistungserbringern zu stärken.
- Dafür zu sorgen, dass Leistungen im Förderbereich nicht notwendig an eine WfbM gekoppelt sind.
- Das Eingangsverfahren zu flexibilisieren und für andere Anbieter zu öffnen.
- Das persönliche Budget auszugestalten und flexiblere Sachleistungen für Leistungsempfänger mit hohem Unterstützungsbedarf anzubieten.
Den vollständigen Antrag finden Sie hier: