Die LAG WfbM Niedersachsen und die BAG WfbM machen sich stark gegen die neue Umsatzsteuerhandhabung des niedersächsischen Finanzministeriums.
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Das niedersächsische Finanzministerium zieht sich argumentativ darauf zurück, dass nach enger Auslegung der geltenden Vorschriften der ermäßigte Umsatzsteuersatz nur auf die Produktionsumsätze aus dem Werkstattbereich, also aus dem Verkauf selbst hergestellter Waren und aus Werkleistungen, zur Anwendung kommen könne. Umsätze aus von behinderten Menschen erbrachten Dienstleistungen oder sonstigen Leistungen seien hingegen nicht von der Umsatzsteuerermäßigung erfasst. Eine solche Argumentation ist nach Auffassung der BAG WfbM Ausdruck eines antiquierten Werkstattbildes und lässt die Anforderungen an eine moderne Teilhabe am Arbeitsleben völlig außer Acht. Zudem widerspricht diese Auffassung deutlich der bisherigen Handhabung in der Praxis.
Auf Grund der zunehmenden Beschwerden und Hilferufe hat die BAG WfbM die Problematik in einem Arbeitspapier aufgegriffen. Unter Hinzunahme dieser Argumentationshilfe gelang es der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG WfbM) und weiteren Verbänden in Niedersachsen, sich Gehör und Unterstützung bei der Presse und in weiten Teilen der politischen Landschaft zu verschaffen. Während die Oppositionsfraktionen im niedersächsischen Landtag die Landesregierung auffordern, die existenzbedrohende Steuerpraxis zu beenden, fordern die Regierungskoalitionen sowie das niedersächsische Finanzministerium eine Klarstellung von Seiten des Bundes.
Fakt ist, dass die bundesweit geltenden Regelungen bisher nur in Niedersachsen zu den oben beschriebenen nachteiligen Auswirkungen geführt haben. Bereits nach gängiger Rechtsauffassung erfüllen die Werkstätten ihre Aufgabe der Teilhabe am Arbeitsleben durch Angebote sowohl im Produktions- als auch Dienstleistungsbereich (siehe hierzu das Gutachten zur Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes in Werkstätten für behinderte Menschen). Gerade im Dienstleistungsbereich schaffen Werkstätten arbeitsmarktnahe Arbeitsplätze und Möglichkeiten der Begegnung, beispielsweise mit Cafeterien, Lebensmittelmärkten, Garten- und Landschaftsbau, Wäschereien oder Sozialkaufhäusern. Damit erweitern sie nicht nur die Wahlmöglichkeiten für behinderte Menschen, sondern tragen auch zu echter Teilhabe und Sichtbarkeit im öffentlichen Raum bei.
Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben müssen sich sowohl die WfbM als auch die dort beschäftigten Menschen mit Behinderung auch weiterhin auf die Unterstützung von Politik und Gesellschaft verlassen können. Deshalb muss der Nachteilsausgleich für alle Leistungen des Arbeitsbereichs der WfbM weiterhin gelten und darf nicht zur Disposition stehen.
Eine Kurzinfo zur Umsatzsteuerproblematik finden Sie hier.