Anfang 2009 ist das Gesetz zur Einführung der Unterstützten Beschäftigung in Kraft getreten. Im Februar sind die Angebote in den jeweiligen regionalen Einkaufszentren (REZ) eingereicht worden. Noch im laufenden Ausschreibungsverfahren schlossen die REZ im Fragen- und Antwortkatalog (im Internet) alle Werkstattträger vom Wettbewerb aus – die Fachkunde sei nicht nachgewiesen.
Daraufhin entschieden sich viele Bieter zu einer Rüge. Gründe waren Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und gegen weitere vergaberechtliche Vorschriften. Die Rügen sind bei den REZ losweise abgegeben worden. Für den Auftraggeber (die Bundesagentur für Arbeit – BA) eröffnet das Rügeverfahren die Möglichkeit, aufgetretene Fehler zu korrigieren. Wie zu erwarten - die REZ machten von dieser Nachbesserungsmöglichkeit keinen Gebrauch und wiesen die Rügebegehren zurück.
In über 20 der BAG WfbM bekannten Fällen wurden Nachprüfungsverfahren vor dem Bundeskartellamt in Bonn eingeleitet. Die Fälle wurden vor allen drei Vergabekammern verhandelt. Die BAG WfbM begleitete die Verfahren.
Am 30. April 2009 erließ die 3. Vergabekammer des Bundeskartellamts in drei Fällen einen Beschluss zum Thema „Fachkunde“ . In einem Fall wurde darüber hinaus über die Vergütungsregelung in der angestrebten Rahmenvereinbarung befunden.
Die Vergabekammer kam in allen drei Fällen zum Ergebnis, dass Werkstätten im Rahmen des Eingangsverfahrens und des Berufsbildungsbereichs über die geforderte Fachkunde gemäß A.3 der Verdingungsunterlagen verfügen. Die Kammer wies darauf hin, dass die Verdingungsunterlagen und die Hinweise im Fragen- und Antwortkatalog zu den vergleichbaren Leistungen widersprüchlich, ungenau und intransparent seien.
Die Antragsgegnerin, die BA, ging bei der Vergleichbarkeit maßgeblich von einer Zielgruppe aus, von der sie „behinderte Menschen, die werkstattbedürftig im Sinne des § 136 SGB IX“ sind, ausnahm. Dieser Auffassung widersprach die Vergabekammer ausdrücklich. Sie stellte klar, „dass sich die Personengruppe, auf die § 38a SGB IX abzielt, bislang – also vor Schaffung der neuen, in der praktischen Umsetzung befindlichen Regelung – eben gerade und vornehmlich in den WfbM betreut wird, bzw. – soweit es sich um Abgänger bestimmter Förderschule handelt – nach Beendigung der Schulausbildung in einer solchen Werkstatt Aufnahme findet.“ Die Aufgabe von Werkstätten bestehe eben nicht nur darin, behinderten Menschen selbst eine Beschäftigung zu bieten. Werkstätten sollen auch den „Übergang geeigneter Personen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen fördern“ und die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit behinderter Menschen „soweit wie möglich entwickeln, verbessern oder wiederherstellen“.
Diese Klarstellung widerspricht der Argumentation der BA, es gäbe einen völlig unterschiedlichen Personenkreis, der für die Unterstützte Beschäftigung infrage kommt. Die BA ging von einem unzutreffenden Sachverhalt aus: Die Zielgruppe der Unterstützten Beschäftigung findet sich sehr wohl in den Werkstätten und wird von diesen in Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich betreut.
In einem weiteren Verfahren erließ die Vergabekammer einen Beschluss zur Vergütungsregelung in der Rahmenvereinbarung gemäß B.2.4 der Verdingungsunterlagen. Danach ist der Nachprüfungsantrag begründet, weil „mit der vorgesehenen Regelung, wonach dem Auftragnehmer lediglich eine Vergütung i. H. v. 70% des Kontingents an Teilnehmermonaten garantiert wird, er aber andererseits Ressourcen für eine 100%-Auslastung vorhalten muss, diesem entgegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet wird.“ Die Kammer stellte fest, dass in der Rahmenvereinbarung dem Bieter ein gewisses Maß an Risiko zuzumuten ist, im vorliegenden Fall aber „die Grenze des Zulässigen überschritten“ sei. Eine Verlagerung des Ausfallrisikos auf die Bieter in Höhe von 15% sei aber noch vergaberechtskonform. Die BA müsste den Anbietern also eine auslastungsunabhängige Kostentragung von mindestens 85% der Teilnehmermonate zusichern.
Die BA ist nun aufgefordert, die Verdingungsunterlagen zu überarbeiten und das Ausschreibungsverfahren in den betroffenen Losen erneut zu starten. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um die Lose, die die oben angeführten Sachverhalte gerügt hatten. Alle anderen Lose sind leider von dieser Entscheidung nicht betroffen, denn Voraussetzung für eine Überprüfung der Vergabe durch das Kartellamt war die Rüge.
Durch die erneute Ausschreibung der Lose wird allen interessierten Marktteilnehmern die Gelegenheit zur erneuten Angebotsabgabe eingeräumt. Den Werkstattträgern wird nun in einem gleichberechtigten Wettbewerb die Möglichkeit geboten, ihre seit Jahrzehnten vorhandene Fachkompetenz zur Verfügung zu stellen. Dies fördert letztlich den qualitativen Wettbewerb und kommt den Teilnehmern dieser neuen Maßnahme zugute.
Die Auffassung der BAG WfbM, dass die BA willkürlich und mit sachfremden Erwägungen die Werkstätten vom Vergabeverfahren ausschließend wollte, wird durch dieses Urteil bestätigt.
Die Beschlüsse der 3. Vergabekammer sind rechtskräftig. Die 1. und die 2. Vergabekammer haben sich diesem Beschluss angeschlossen. Die BA hat inzwischen entsprechende Abhilfebescheide erlassen.
Bei Rückfragen zum Thema Unterstützte Beschäftigung wenden Sie sich bitte an Andreas Laumann-Rojer, Tel. 0 69 – 94 33 94 16, E-Mail: a.laumann-rojer@bagwfbm.de.