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Gefährdungen online ermitteln
„Sozial, engagiert und produktiv. Ein möglichst normales Leben. Das wünschen sich Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder einer psychischen Erkrankung. Arbeit ist dafür eine wichtige Voraussetzung. Besondere Einrichtungen ermöglichen es ihnen, im Rahmen ihrer Fähigkeiten produktiv zu arbeiten. Ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld spielt dabei eine wichtige Rolle – die praktische Umsetzung stellt alle Beteiligten jedoch vor ganz spezielle Herausforderungen.“

Wer schreibt so positiv über Werkstätten? Es ist die BGW, die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Rund 670 Werkstätten für Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen, knapp 600 Werkstätten für sucht- und psychosozial gefährdete Menschen sowie Berufsförderungswerke sind bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) gesetzlich unfallversichert.

Werkstätten müssen wirtschaftlich arbeiten. Sie müssen aber auch die besonderen Bedürfnisse ihrer Beschäftigten berücksichtigen. Auch beim Arbeits- und Gesundheitsschutz müssen die individuellen Fähigkeiten der Beschäftigten berücksichtigt werden. Wie lässt sich hier ein effektiver Gesundheitsschutz verwirklichen? Unterstützung bietet unter anderem ein neues Internetangebot der BGW.

Aufgabenvielfalt als Herausforderung für den Arbeitsschutz

Die gesetzlichen Anforderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz sind die gleichen wie in anderen Betrieben. Allerdings müssen die Beschäftigten bei der Arbeit je nach Art und Schwere ihrer Behinderung oder Erkrankung individuell betreut und angeleitet werden. Außerdem werden zumeist besondere Ansprüche an die Arbeitsplätze gestellt: Sie sollen nicht nur behindertengerecht sein, sondern darüber hinaus die Menschen in ihren Fähigkeiten fordern und fördern.

Vom Garten- und Landschaftsbau über Montage und Lagerung, Metall- und Holzbearbeitung bis hin zur Arbeit in Küchen und Wäschereien: Genauso vielfältig wie die Tätigkeiten sind die Gefährdungen. Neben den am häufigsten gemeldeten Stolper-, Rutsch- und Sturzunfällen kann es zum Beispiel zu Unfällen bei der Bedienung von Maschinen kommen. Auch Infektionen und Vergiftungen können auftreten. Zudem entsteht bei den Fachkräften oftmals ein Gefühl der Überforderung – etwa durch Alleinarbeit oder den Umgang mit lauten oder aggressiven Beschäftigten.

Diese Unfallrisiken und gesundheitlichen Belastungen lassen sich jedoch minimieren. Die Einrichtungen können sich dazu von der BGW beraten lassen. Wichtige Hinweise finden sie auch in der Grundlagenschrift für den Arbeitsschutz im Betrieb, der „BGW kompakt“ für die berufliche Rehabilitation und für Werkstätten. Neu hinzugekommen ist außerdem ein umfassendes Internetangebot zur Gefährdungsbeurteilung in dieser Branche.

Gefährdungsbeurteilung ist Pflicht

Das Arbeitsschutzgesetz sieht vor, dass jeder Betrieb eine Gefährdungsbeurteilung durchführt und kontinuierlich fortschreibt. Dabei sind viele Aspekte zu bedenken: Verletzungsgefahren, die von Maschinen und Werkzeugen ausgehen, Brandschutz und psychische Belastungen gehören dazu. Darüber hinaus müssen die individuellen Fähigkeiten der Beschäftigten berücksichtigt werden.

Hinter einer Gefährdungsbeurteilung steckt allerdings weniger Aufwand als angenommen. Denn viele Grundlagen sind in der Regel bereits im betrieblichen Alltag vorhanden. Sie sind Teil täglicher Entscheidungsprozesse und müssen oft nur noch dokumentiert werden. So beschreibt beispielsweise das Sicherheitsdatenblatt eines Lösungsmittels mögliche Gefährdungen und Sicherheitsmaßnahmen. Wer hier vor einer Kaufentscheidung steht und Produkteigenschaften anhand der eigenen Ansprüche prüft, hat bereits mit der Gefährdungsbeurteilung begonnen.

Neu: Gefährdungen online ermitteln

Angesichts der Vielfalt der Tätigkeiten und Gefährdungen hat die BGW ein Internetangebot speziell für Werkstätten und Berufsförderungswerke entwickelt. Das Angebot ist modular aufgebaut: Die Einrichtungen wählen die Bereiche oder Gewerke aus, die sie betreffen, und erhalten jeweils detaillierte Informationen und Materialien für die Gefährdungsbeurteilung. Dabei können Werkstattleitung, Fachkräfte, Betriebsärzte und auch die gewählten Vertreter der Mitarbeiter sowie der Beschäftigten
  • in virtuellen Räumen den Betrieb begehen,
  • mögliche Gefährdungen erfassen,
  • praxisbewährte Lösungen kennenlernen und
  • online ausfüllbare Arbeitshilfen nutzen, um die Gefährdungsbeurteilung den Vorschriften entsprechend zu dokumentieren.
Die virtuellen Räume auf www.bgw-online.de externer Link helfen bei der Gefährdungsbeurteilung in Werkstätten. Das neue Internetangebot wurde von der BGW gemeinsam mit Experten aus der Praxis erarbeitet. Fünf Fachkräfte für Arbeitssicherheit aus großen norddeutschen Werkstätten brachten ihre Erfahrungen ein. Katja Perrey von der Vorwerker Diakonie in Lübeck: „Die meisten von uns hatten sich eigene Lösungen gebastelt, weil die Angebote auf dem Markt einfach nicht passten. Sie waren zu speziell, zu umfassend oder zu kompliziert und einfach zu zeitaufwändig.“ Mit den Sonderlösungen war allerdings keiner der Beteiligten wirklich zufrieden. Das Online-Tool dagegen treffe den Nagel auf den Kopf, meint Katja Perrey: „Eine Broschüre hätte nie so umfangreich auf alle Bereiche eingehen können. Außerdem erhält man bei der interaktiven Lösung sofort die wichtigsten Materialien und Arbeitsblätter.“

Im ersten Schritt geht das Internetangebot derzeit auf die folgenden Bereiche ein:
  • Holzbearbeitung
  • Metallbearbeitung
  • Montage und Verpackung
  • Garten- und Landschaftsbau
Außerdem gibt es Informationen rund um Verkehrswege, zu Erster Hilfe sowie zum Brandschutz. Im nächsten Schritt werden im Laufe des Jahres die Bereiche Küche, Fuhrpark und Personenbeförderung, Wäscherei, Büroservice, Lager und Logistik sowie Verwaltung folgen.

Im Internet:

Gefährdungen online ermitteln können Werkstätten und Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation mit der interaktiven Gefährdungsbeurteilung.

Werkstätten: Arbeitsschutz konkret

Für den Betrieb jeder Maschine ist eine angepasste Betriebsanweisung zu erstellen. Was müssen die Werkstätten und die Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation beachten? Was können sie tun, um ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen? Einige Beispiele verdeutlichen die Anforderungen und Handlungsmöglichkeiten.

Stolpern und Stürzen: Scharfe Ecken, zu klein bemessene Arbeitsflächen und zugestellte Durchgänge erhöhen das Unfallrisiko um ein Vielfaches. Alle Wege im Betrieb sollten barrierefrei passierbar sein. Rollstuhlfahrer benötigen Durchgänge, die mindestens 120 Zentimeter breit sind. Die Wege dürfen nicht durch Gegenstände zugestellt werden – dies gilt nicht nur, aber besonders für Fluchtwege. Ein rutschfester, trockener und trittsicherer Boden ohne Stolperkanten und eine gute Beleuchtung sorgen zusätzlich für Sicherheit. Dazu gehört aber auch geeignetes Schuhwerk.

Sicherer Umgang mit Maschinen und elektrischen Betriebsmitteln: Der Zustand der Geräte muss immer den aktuellen Sicherheitsvorschriften entsprechen. Bei allen Maschinen, die nach 1995 in Verkehr gebracht wurden, erkennt man dies am „CE-Zeichen“. Die Arbeitsgeräte müssen bestimmungsgemäß verwendet werden und die Schutzvorrichtungen müssen funktionieren. Außerdem wichtig: die Gefährdungsanalyse, speziell für Beschäftigte mit Behinderungen, und die Erstellung von arbeitsplatzbezogenen Betriebsanweisungen. Geräte müssen sorgfältig gewartet und geprüft werden. Unverzichtbar ist die regelmäßige Unterweisung der Mitarbeiter und Beschäftigten.

Gilt auch bei Gabelstaplern: Nur Beschäftigte mit gültiger Fahrerlaubnis und Beauftragung dürfen am Steuer sitzen. Sicherer Umgang mit Fahrzeugen: Der Betrieb von Aufsitzrasenmähern, Gabelstaplern und Co. birgt besondere Gefahren. Deshalb müssen Beschäftigte, die solche Fahrzeuge führen, ihre Eignung nachgewiesen haben. Für das Führen bestimmter Fahrzeuge ausschließlich auf dem Betriebsgelände reicht eine betriebsinterne Ausbildung in Theorie und Fahrpraxis. Zur Führung von Gabelstaplern sind eine spezielle Ausbildung sowie eine schriftliche Beauftragung erforderlich.

Sichere Mobilität: Für Fahrzeuge zur Beförderung von Menschen mit Behinderungen gelten hohe Sicherheitsstandards. Am sichersten ist die Beförderung auf einem normalen Fahrgastsitz. Fahrzeuge, die Rollstuhlfahrer transportieren, müssen mit Extras ausgestattet sein: Sie benötigen eine Ein- und Ausfahrhilfe, Einstiegshilfen und geprüfte Rückhaltesysteme. Außerdem müssen die Rollstühle als Fahrgastsitz geeignet sein, das heißt: Eine Zusatzausrüstung zur ordnungsgemäßen Befestigung von Rückhaltesystemen ist Pflicht.

Psychische Belastungen: Einrichtungsleiter, Betreuer und Anleiter nehmen häufig eine Doppelrolle als Vorgesetzte und Betreuer ein. Umso wichtiger ist ein positives und kooperatives Arbeitsumfeld: Das fängt bei einer guten Arbeitsorganisation an und reicht bis zu Schulungen in Konfliktbewältigung und Deeskalation. Angebote wie Teambesprechungen, Mitarbeitergespräche oder Supervision helfen, extreme Erlebnisse besser zu verarbeiten.

Unterweisungen: Menschen mit Behinderungen nehmen die Welt anders wahr: Sie lernen in der Regel weniger abstrakt und rational, sondern praktisch, haptisch und visuell. Die vorgeschriebenen Unterweisungen müssen nach Möglichkeit an die Lerngewohnheiten der Beschäftigten angepasst werden. Das bedeutet unter anderem, dass sie wesentlich häufiger und in kürzeren Zeitabständen unterwiesen werden müssen. Die Lerninhalte lassen sich durch Bilder, Schilder, Filme und Piktogramme aus dem Arbeitsumfeld der Beschäftigten veranschaulichen. Hilfreich ist es auch, die Schriftsprache auf ein Minimum zu reduzieren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten das soeben Erlernte möglichst sofort wiederholen und erproben.

Sicherheitsbeauftragte: Ein wichtiges Bindeglied zwischen Chef und Werkstattbeschäftigten sind Sicherheitsbeauftragte. Auch Beschäftigte selbst können zu Sicherheitsbeauftragten ausgebildet werden – ganz zum Vorteil des Betriebs.

Quelle: www.bgw-online.de externer Link


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