Die Vermittlung und Betreuung von Langzeitarbeitslosen soll ebenso wie die Sicherung des Lebensunterhalts auch künftig aus einer Hand erfolgen. Dazu ist eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Diese hat das Bundeskabinett auf den Weg gebracht. Die gemeinsame Betreuung der Arbeitslosen durch Bund und Ländern in den Jobcentern hat sich in den vergangenen fünf Jahren in der Praxis bewährt. Diese Kooperation ist im Grundgesetz bislang allerdings nicht vorgesehen.
Aus diesem Grund hatte das Bundesverfassungsgericht die „Mischverwaltung“ in einem Urteil Ende 2007 für grundgesetzwidrig erklärt. Das Kabinett beschloss nun, das Grundgesetz zu ändern und die Arbeitsvermittlung verfassungsrechtlich absichern. Das Grundgesetz wird um einen neuen Artikel 91e ergänzt. Dadurch erhält die Arbeitsvermittlung eine verfassungsrechtlich abgesicherte, dauerhafte und stabile Organisationsstruktur.
Die Verfassungsänderung soll sowohl die Mischverwaltung im Regelmodell als auch die Zulassung einer begrenzten Zahl von allein verantwortlichen Gemeinden und Gemeindeverbänden für das Optionsmodell ermöglichen. Die verfassungsrechtliche Trennung der staatlichen Ebenen und Verantwortungen bleibt gewahrt. Für die Grundgesetzänderung sind Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat erforderlich.
Der neue Grundgesetzartikel 91e
(1) Bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende wirken Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammen.
(2) Der Bund kann zulassen, dass eine begrenzte Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden auf ihren Antrag und mit Zustimmung der obersten Landesbehörde die Aufgaben nach Absatz 1 allein wahrnimmt. Die notwendigen Ausgaben einschließlich der Verwaltungsausgaben trägt der Bund, soweit die Aufgaben bei einer Ausführung von Gesetzen nach Absatz 1 vom Bund wahrzunehmen sind.
(3) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
435 Grundsicherungsstellen
Insgesamt 435 Grundsicherungsstellen in Deutschland betreuen derzeit die Empfänger von Arbeitslosengeld II und deren Familien. Betroffen sind rund 6,8 Millionen Menschen in Deutschland. In die Grundsicherung für Arbeitsuchende fließen dieses Jahr etwa 50 Milliarden Euro. Den Großteil von 38 Milliarden zahlt der Bund; bei den Kommunen fallen etwa zwölf Milliarden Euro an, vor allem für die Kosten der Unterkunft.
In der Regel arbeiten die Kommunen und die Arbeitsagenturen in den so genannten Jobcentern eng zusammen. Derzeit gibt es 345 Jobcenter. Zudem existieren noch 23 Gemeinden, in denen Arbeitsagenturen und die kommunalen Träger ihre Aufgaben zur Betreuung der Langzeitarbeitslosen separat erledigen. Diese getrennte Aufgabenwahrnehmung wird es in Zukunft nicht mehr geben. Daneben gingen 2005 als Experiment auch 69 Optionskommunen an den Start. Durch Zusammenlegung arbeiten jetzt 67 Optionskommunen, die alle Aufgaben vollständig und eigenverantwortlich wahrnehmen. Aus ihrer bislang nur befristeten Zulassung wird nun eine dauerhafte.
Optionsmodell gestärkt
Künftig können sich noch gut 40 weitere Gemeinden oder Gemeindeverbände für das eigenverantwortliche Optionsmodell entscheiden. Mit dann bis zu 110 Optionskommunen kann ihr Anteil an allen Grundsicherungsstellen auf ein Viertel steigen. Für die Zulassung wird es klare Antragsvoraussetzungen und Eignungskriterien geben. Die Zulassungen sollen zum 1. Januar 2012 erfolgen. Eventuell frei gebliebene Plätze können in einem zweiten Zulassungsverfahren im Jahr 2015 besetzt werden.
Klare Strukturen, eigenständiges Arbeiten
Neben der Grundgesetzänderung sind für die verabredete Organisationsreform weitere gesetzliche Schritte notwendig. Den Entwurf dafür erarbeitet zur Zeit das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Ins Kabinett geht die Beschlussvorlage am 21. April 2010. Inhaltlich geht es hier unter anderem um die interne Organisation der Jobcenter, die Abstimmungswege zwischen Bund, Ländern und Kommunen, Aufsichts- und Finanzierungsfragen sowie um das Auswahlverfahren für die Optionskommunen. Das gesamte Gesetzgebungsverfahren zur Jobcenterreform soll noch vor der Sommerpause abgeschlossen werden. Ziel ist die Bundesratssitzung am 09. Juli 2010.