Am 9. Mai 2012 fand der bayerische Werkstättentag im AGCO Fendt-Forum in Marktoberdorf statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Frage: Was ist ein inklusiver Arbeitsplatz?
Wie muss die Antwort auf diese Frage aus Sicht (schwer-)behinderter Menschen lauten? Welche Partner sind gefragt um die entsprechenden Rahmenbedingungen nachhaltig zu bieten? Das sind weitere Fragen, die sich stellen, wenn es darum geht, die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention konsequent umzusetzen. Seit ihrem Inkrafttreten in Deutschland im März 2009 ist ob des Ziels, eine Gesellschaft ohne Barrieren zu schaffen - also Inklusion in allen Lebensbereichen zu erreichen – eine heftige Diskussion entfacht.
Zusammenarbeit vieler Akteure ist gefordert
Wie können die Rahmenbedingungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt geschaffen werden? Bei der Podiumsdiskussion beim Bayerischen Werkstättentag 2012 gehen Irmgard Badura, der Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Jürgen Reichert, Bezirkstagspräsident Schwabens, und Nils Mütze, Personalleiter der AGCO GmbH, sowie Vertretern/innen aus der Werkstättenszene Bayerns und dem Bayerischen Sozialministerium dieser Frage nach. BR-Moderatorin Christine Krüger will von ihnen wissen: Wie finden wir inklusive Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen? .Was muss sich verändern bei der Finanzierung, den Hilfestrukturen, dem Personal und in der Gesellschaft?
„Schwerbehinderte Menschen profitieren derzeit nicht vom Aufschwung am Arbeitsmarkt.“
Hans Horn, Vorsitzender der LAG WfbM Bayern, gibt zu bedenken. „Unsere Leistungsgesellschaft sortiert Bewerberinnen und Bewerber mit Behinderungen immer noch konsequent aus“, so Horn. Die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention hätten im Arbeitsmarkt noch keine nennenswerten Spuren hinterlassen, gleichwohl Initiativen auf Bundes- und Landesebene wie etwa die LAG WfbM Bayern mit ihren Werkstätten diese mit großem Engagement aufgriffen.
Irmgard Badura bestätigt: Die Werkstätten haben sich schon auf den Weg zur Inklusion gemacht. „Ich weiß, dass sich bei den Werkstätten für behinderte Menschen bereits viel getan hat, beispielsweise, was die Schaffung von Außenarbeitsplätzen anbelangt.“ Außenarbeitsplätze sind dauerhafte oder vorübergehende Außenarbeitsplätze in Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarkts, bei denen der oder die Beschäftigte bei der Werkstatt angestellt bleibt. Irmgard Badura freut sich besonders, dass der Werkstättentag in diesem Jahr im Fendt Forum des AGCO Konzerns in Marktoberdorf, einem Global-Player im Bereich der Landmaschinenproduktion, stattfindet. „Die enge Zusammenarbeit zwischen Werkstätten und dem so meist genannten „ersten oder allgemeinen“ Arbeitsmarkt ist extrem wichtig und auch unerlässlich für die zukunftsgerichtete Aufstellung und Ausrichtung der Werkstätten für behinderte Menschen“, ist sich Badura sicher.
Keine Scheu vor der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung
Das ist der Appell des Bezirkstagspräsidenten von Schwaben Jürgen Reichert an die Unternehmer des ersten Arbeitsmarkts. Beim Werkstättentag macht er deutlich: „Arbeit ist für die meisten Menschen mehr als bloße Erwerbstätigkeit. Sie gibt Struktur, bringt Sinn, bietet die Möglichkeit zu sozialen Kontakten. Insbesondere für Menschen mit Behinderung, die oft Ausgrenzung erleben, ist dies wichtig.“ Ein Mensch mit Behinderung bringe oftmals eine andere Sichtweise mit in den Betrieb. Dies könne, so bestätigten sozial engagierte Unternehmer, ein großer Gewinn für alle sein, meint Reichert weiter.
Wie ist Inklusion möglich?
34.000 Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen sind aktuell in den anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen in Bayern beschäftigt. Die Bemühungen, sie in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren stoßen jedoch an Grenzen, weil „die wesentlichen Akteure, die Unternehmen unserer freien Marktwirtschaft, bisher noch viel zu wenig in den Prozess eingebunden werden konnten. Hier liegt die große Aufgabe aller Beteiligten: Bei jeder Gelegenheit deutlich zu machen, dass ein inklusiver Arbeitsmarkt im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegt und letztlich auch den Unternehmen zum Vorteil gereicht“, stellt Hans Horn heraus. Er meint weiter: „Inklusion geht nicht zum Nulltarif. Gerade Werkstattbeschäftigte mit speziellen Hilfebedarfen können nicht einfach so in Betriebe ausgelagert werden. Sie brauchen dazu aufwändige, individualisierte Hilfesysteme. Das wissen alle Beteiligten. Hier brauchen wir eine ehrliche Diskussion.“ Entscheidend sei darüber hinaus, dass die Betroffenen selbst, also die Menschen mit Behinderungen, wesentlich mitgestalten und mitbestimmen dürften.
Die Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung weiter auszubauen, dafür setzt sich die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen in Bayern (LAG WfbM Bayern) ein. Etwa 110 anerkannte Hauptwerkstätten mit Zweigstellen beschäftigen bayernweit etwa 35.000 Menschen mit Behinderung.
Text: Christine Allgeyer, LAG WfbM Bayern