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Vergabeverfahren des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe gestoppt
Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts hat durch zwei Beschlüsse vom 22. Juni 2004 den Landschaftsverband Westfalen-Lippe im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig in einem von ihm betriebenen kartellrechtlichen Vergabeverfahren keinen Zuschlag an einen der Bieter zu erteilen, die Betreuungsleistungen für suchtkranke und behinderte Menschen erbringen möchten.

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe hatte Leistungen des ambulant betreuten Wohnens für suchtkranke Menschen in den Kreisen Höxter, Olpe, Warendorf und im Märkischen Kreis sowie für geistig behinderte Menschen im Kreis Siegen-Wittgenstein öffentlich ausgeschrieben. Gegenstand der Ausschreibung war der Abschluß einer Vereinbarung über Leistungen und Vergütungen, die nach dem Bundessozialhilfegesetz Voraussetzung dafür ist, daß der Landschaftsverband als Sozialhilfeträger die Kosten übernimmt, die den Einrichtungen bei der Betreuung von Sozialhilfeberechtigten entstehen. Der Landschaftsverband beabsichtigte, mit denjenigen Bietern eine solche Vereinbarung abzuschließen, die die wirtschaftlichsten, d.h. preismäßig günstigsten Angebote abgegeben haben. In jedem der in der Ausschreibung abgegrenzten Gebiete sollte nur ein Bieter den Zuschlag und damit für eine bestimmte Zeit das alleinige Recht zur Betreuung der zur Zielgruppe gehörenden Hilfeempfänger in diesem Gebiet erhalten.

Gegen dieses Vergabeverfahren, bei dem es sich nach Angaben des Landschaftsverbandes um ein Pilotprojekt handelt, wandten sich sowohl die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen - in der unter anderem die Bezirksverbände der Arbeiterwohlfahrt, der Landesverband des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die Landesverbände des Deutschen Roten Kreuzes, die Diözesan-Caritasverbände und die Diakonischen Werke zusammengeschlossen sind - als auch einer ihrer Mitgliedsverbände sowie ein diesem Verband angehörender Einrichtungsträger aus dem Kreis Warendorf. Deren Ziel war es, durch eine einstweilige Anordnung zu verhindern, daß ein Bieter in dem Vergabeverfahren den Zuschlag erhält und dann für die geplante Vertragslaufzeit von mindestens zwei Jahren zum einen ein bestehender Vertrag dieser Verbände mit dem Landschaftsverband nicht eingehalten werden kann und zum anderen andere Einrichtungsträger - wie etwa der Warendorfer Verband - wegen des alleinigen Leistungserbringungsrechts des im Vergabeverfahren ermittelten Auftragnehmers keine Möglichkeit hätten, Leistungen zulasten der Sozialhilfe zu erbringen.

Diesen Anträgen hat die 5. Kammer nun stattgegeben und damit faktisch - vorläufig bis zu einer Entscheidung über eine noch zu erhebende Klage - das Vergabeverfahren gestoppt. Darüber hinaus hat sie den Landschaftsverband verpflichtet, Verhandlungen mit dem Einrichtungsträger aus dem Kreis Warendorf aufzunehmen und über eine vorläufige Vereinbarung über Leistungen und Vergütungen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

Zur Begründung der stattgebenden Beschlüsse hat die 5. Kammer im Wesentlichen ausgeführt: Für die Durchführung dieses Vergabeverfahrens durch den Landschaftsverband fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Insbesondere seien die kartellrechtlichen Vergabevorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nicht anwendbar, weil es sich bei der ausgeschriebenen Vereinbarung - ungeachtet der vom Landschaftsverband geplanten konkreten Ausgestaltung - nicht um einen öffentlichen Auftrag im Sinne dieser Vorschriften handele. Die Zahlung des Sozialhilfeträgers an die Leistungen erbringende Einrichtung sei nicht das Entgelt für eine von dieser erbrachte Dienstleistung, sondern sei eine Leistung der Sozialhilfe und diene allein der Erfüllung des Anspruchs des Hilfesuchenden gegenüber dem Sozialhilfeträger. Der Landschaftsverband trete auch nicht als Nachfrager einer entgeltlichen Leistung am Markt auf. Die ambulante Betreuung von suchtkranken und behinderten Menschen sei keine Dienstleistung, sondern soziale Hilfstätigkeit der öffentlichen Hand für hilfebedürftige Menschen. Bei solchen sozialen Hilfen handele es sich nicht um marktgängige Leistungen. Die Gewährung von Sozialhilfe werde nicht von den Grundsätzen des Marktes und des freien Wettbewerbs bestimmt, sondern als Teil der staatlichen Fürsorge im Wege der Zusammenarbeit von Einrichtungs- und Sozialhilfeträgern geleistet. Das Vorgehen des Landschaftsverbandes allein nach den Maßstäben des Wettbewerbsrechts und das Abstellen auf den Preis als einziges Kriterium für die Vergabeentscheidung sei mit der Fürsorgepflicht des Staates gegenüber hilfebedürftigen Menschen mit Behinderungen und Suchtkranken nicht in Einklang zu bringen. Die Durchführung des Vergabeverfahrens verstoße darüber hinaus gegen zahlreiche sozialhilferechtliche Vorschriften.

Az.: 5 L 728/04 und 5 L 756/04 (nicht rechtskräftig)


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