Podiumsdiskussion eröffnet Braunschweiger Gespräche. V. li.: Heinz Waschhof, Vera Neugebauer, Torsten Lengsfeld
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Deutschlandweit sind es 17.000 Personen, die eine Förderstätte oder eine Fördergruppe besuchen und bislang keinen Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsleben haben. Es sind Menschen mit Behinderung, die laut Definition „das Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung“ nicht erbringen.
Vera Neugebauer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der BAG WfbM, stellte in ihrer Begrüßungsrede heraus, dass es auch anders geht. „Die Beispiele aus Nordrhein-Westfalen zeigen: Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf gewinnen durch Teilhabe am Arbeitsleben. Arbeit ist ein wichtiges und sinnstiftendes Medium“, so Neugebauer. In Nordrhein-Westfalen stehe allen Menschen, ungeachtet der Art oder Schwere ihrer Behinderung, die Teilnahme am Arbeitsleben offen. Dort gebe es keine Tagesförderstätten wie in den anderen Bundesländern.
BAG WfbM-Bildungsreferent Thomas Bauer vertrat die Ansicht, dass Werkstätten ihre Probezeit erfolgreich bestanden hätten. „Sie haben überzeugende Konzepte und gelebte Beispiele dafür, dass sie für alle Teilhabe am Arbeitsleben gestalten können. Die wichtigsten Bildungsimpulse kommen vielfach aus den Förderstätten. Sie zeigen wie der Auftrag, Arbeit an den Menschen anzupassen, idealtypisch gehen kann“, so Bauer.
Provozierend war die Tagung mit dem Titel „Wie viel Inklusion können bzw. wollen wir?“ überschrieben. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, wie der Zugang zu Werkstätten, also die Bewilligung des Leistungsanspruches zur Teilhabe für Menschen mit schweren Behinderungen praktiziert wird. Roland Weber, Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung der Werkstatträte (BVWR) forderte, mit dem Schubladendenken „werkstattfähig – nicht werkstattfähig“ Schluss zu machen: „Im Gesetz steht, dass erst nach der Teilnahme an Bildungsmaßnahmen des Berufsbildungsbereiches ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeit zu erbringen ist.“ Er forderte, auch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf den Raum zuzugestehen, den diese brauchen, um sich zu entfalten.
Bemerkenswert war der breite Konsens bei der Ergebnispräsentation der Arbeitsgruppen. Förderstätten sollen nicht abgeschafft werden. Auch die Gesetzgebung müsse bezüglich der Zugangsvoraussetzungen nicht verändert werden. Denn Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf haben laut Gesetz einen Anspruch auf berufliche Bildung in der Werkstatt. Problematisch ist in der Praxis der Leistungsbewilligung, dass dieser Anspruch nicht gewährt wird. Das erste Ziel ist deshalb, sicherzustellen, dass Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf die Wahlfreiheit zwischen Förderstätte und Werkstatt bekommen. Sie haben ein Recht darauf.
Die Vorträge und Arbeitsgruppenergebnisse der Braunschweiger Gespräche finden Sie unter: http://www.bagwfbm.de/category/100