Nürnberg (dpa) - Hartz-IV-Empfänger leiden nach Erkenntnissen von
Arbeitsmarktforschern besonders häufig unter psychischen
Erkrankungen. Bei mehr als einem Drittel von ihnen wurde innerhalb
eines Jahres mindestens eine psychische Beeinträchtigung
festgestellt. Das geht aus einer am 31. Oktober 2013 veröffentlichten
Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in
Nürnberg und der Universität Halle-Wittenberg hervor.
Viele Arbeitslose litten unter affektiven und neurotischen
Störungen, Depressionen sowie seelisch bedingten körperlichen Leiden.
Die Forscher berufen sich unter anderem auf Krankenkassendaten.
Arbeitsvermittler in Jobcentern hätten den Anteil der psychisch
kranken Hartz-IV-Betroffenen in Interviews auf 5 bis 40 Prozent
geschätzt. Fallmanager der Behörde gehen sogar bei der Hälfte bis zu
zwei Dritteln aller Hartz-IV-Empfänger von Problemen aus.
Die Studie ergab ferner, dass sich viele Mitarbeiter in Jobcentern
im Umgang mit psychisch kranken Arbeitslosen überfordert fühlten. So
falle es vielen schwer, überhaupt zu erkennen, ob jemand eine
psychische Störung habe, berichten die Forscher. Dadurch komme es
immer wieder zu Missverständnissen, da Jobvermittler die bei manchen
Erkrankungen auftretende Symptome wie Antriebsmangel unter
Umständen als geringes Interesse an einem Job interpretierten.
In den Augen mancher Jobcenter-Mitarbeiter erlaubten schon die
Rahmenbedingungen nicht, dass sie sich angemessen um diese Gruppe
kümmern könnten. So fehle es den Vermittlern wegen der Vielzahl der
zu betreuenden Arbeitslosen an Zeit, auf psychisch Kranke einzugehen.
Fort- und Weiterbildungskurse, mit denen die Betroffenen fit für
den Arbeitsmarkt gemacht werden sollen, seien außerdem oft zu kurz.
"Zurückgegriffen wird oft mangels Alternativen auf Standardmaßnahmen
der allgemeinen Förderung, die nur bedingt eine individuelle
Ausrichtung ermöglichen", kritisieren die Autoren der Studie.
Die Wissenschaftler fordern daher dringend eine Fortbildung von
Jobvermittlern. Es müsse vermieden werden, dass "die Fallbearbeitung
in den Jobcentern bestehende Probleme verschlimmert, was durch
inadäquate Ansprache, falsche Maßnahmezuweisung oder gar Sanktionen
wegen fehlender Mitwirkung (...) der Fall sein kann", warnen sie.
Auch müssten für diese Gruppe von Arbeitslosen passgenauere
arbeitsmarktpolitische Instrumente entwickelt werden. Zudem sollten
diese Menschen bei einer Jobvermittlung noch längere Zeit nachbetreut
werden.
Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit (BA) müssen die neuen
Erkenntnisse Ansporn für eine bessere Betreuung der Betroffenen sein.
"Wir fühlen uns von dieser Studie herausgefordert, dieses Thema noch
intensiver zu bearbeiten als bisher", sagte das für Hartz IV
zuständige BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt in einem Interview der
Nachrichtenagentur dpa. Künftig müssten Mitarbeiter der Jobcenter
noch besser für den Umgang mit Menschen mit psychischen Handicaps
fortgebildet werden. Aber auch Unternehmen sollten psychisch
eingeschränkten Menschen eine Chance geben.