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Externer Berufsbildungsbereich - ein neuer Zugang in Betriebe des ersten Arbeitsmarktes
Petra Bauer arbeitet im Jugendgästehaus in der Wäscherei, Frank Rau in der Großküche eines Krankenhauses. Tanja Schmitt lernt in der Küche einer Tagesförderstätte, Jutta Peters im Hotel- und Restaurantservice eines Altenpflegeheimes. Johann Franke ist ebenfalls in einer Großküche tätig und Mehmet Öztürk in der Kantine einer Behörde. Sie absolvieren eine Qualifizierung in Hamburger Betrieben und doch sind alle sechs Mitarbeiter der Elbe-Werkstätten in Hamburg.

Dort wurde im Berufsbildungsbereich eine neue Form der Ausbildung kreiert: Die Mitarbeiter erlernen ihre Tätigkeit nicht mehr in der Werkstatt, sondern "extern", also in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes. Zusätzlich erhalten sie - wie im dualen Bildungssystem üblich - in der Berufsschule und in speziellen Blockkursen theoretischen Unterricht. Das Ziel der beruflichen Bildung ist eine Tätigkeit außerhalb der Werkstatt, sei es als festangestellte Mitarbeiter mit einem regulären Arbeitsvertrag oder als Mitarbeiter auf einem ausgelagerten Werkstattplatz.

Der Qualifizierungsgang hatte einen Vorläufer in einem EU-Projekt mit der Bezeichnung "Helfer in der Altenpflege", in dem acht Werkstattbeschäftigte drei Jahre lang in Altenpflegeheimen ausgebildet wurden. Auf den hier gewonnenen und äußerst ermutigenden Erfahrungen basiert diese neue Form der beruflichen Bildung. Die Elbe-Werkstätten verfügen über insgesamt 80 Berufsbildungsplätze. Zwölf Plätze werden für diese neue Form der Berufsbildung vorgehalten.

Ablauf der Qualifizierung

  1. Vorinformation und Kontaktaufnahme

    Bewerberinnen und Bewerber erfahren von der Maßnahme durch Beratungsgespräche in der Schule, im Arbeitsamt oder in der Werkstatt. Am meisten Interesse findet sich bei Jugendlichen, die eine Integrationsklasse besucht haben. Ob diese Form beruflicher Bildung tatsächlich den Vorstellungen der Interessenten entspricht, finden beide Seiten in einen sogenannten "Schnuppergespräch" heraus. Wenn sich die Teilnahme als sinnvoll erweist und das Arbeitsamt eine Kostenzusage abgibt, beginnt die Suche nach einem geeigneten Betrieb für die Qualifizierung. Er soll möglichst wohnortnah sein und in dem gewünschten Tätigkeitsfeld eine Arbeitsbegleitung durch die Mitarbeiter des Projektes akzeptieren.

  2. Eingangsverfahren

    Für die ersten Wochen der Maßnahme sieht der berufliche Bildungsbereich das "Eingangsverfahren" vor. Es kann in der Werkstatt, aber auch bereits im Betrieb stattfinden. Sinn dieses vorgeschalteten Ausbildungsteils ist es, daß Teilnehmer und Arbeitsbegleitung einander kennen lernen. Die Anleiter können die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Teilnehmer einschätzen und einen Eingliederungsplan für sie erstellen.

  3. Durchführung der Maßnahme im Betrieb

    Zu Beginn die Maßnahme werden die Teilnehmer im Verhältnis "eins zu eins" an ihrem Arbeitsplatz begleitet und eingearbeitet. Die Anleiter besprechen mit den Betrieben alle Einzelheiten bezüglich des Tätigkeitsfeldes, organisatorischer Fragen und der betrieblichen Ansprechpartner. Nach dieser intensiven Einarbeitungsphase reduzieren die Arbeitsbegleiter ihre Anleitungstätigkeit auf feste Zeiten. Deren Häufigkeit ergibt sich aus dem individuellen Bedarf und kann je nach Person, Betrieb oder Tätigkeit sehr unterschiedlich sein. Die Arbeitsbegleiter erstellen Ausbildungspläne und legen eine Anleitungsmethodik fest, die den Teilnehmern das Erlernen der Tätigkeit erleichtern. In diesen Plänen werden die gemeinsamen Ziele vereinbart, die die Teilnehmer in einem überschaubaren Zeitraum erreichen sollen. Gemeinsam werden neue Ziele gesteckt und eventuell auftretende Probleme bearbeitet. Mit fortschreitender Qualifizierungszeit reduzieren sich die Anleitungsbesuche in den Betrieben im Durchschnitt auf zwei bis drei Male in der Woche. Mindestens alle drei Monate finden intensive Auswertungsgespräche statt, an denen die Ansprechpartner der Betriebe, etwa der Küchenchef oder die Stationsleiterin, beteiligt sind.

  4. Ausdehnung oder Veränderung der Qualifizierungsinhalte

    Sind die Teilnehmer in ihrem Arbeitsbereich zuverlässig, sicher und selbständig geworden, werden in der Regel weitere Tätigkeitsfelder hinzugenommen. Dies kann für spätere Übernahmeverhandlungen mit dem potentiellen Arbeitgeber von großer Bedeutung sein, da die Teilnehmer für den Betrieb vielseitiger einsetzbar sind. Stellt sich heraus, daß jemand mit dem ausgesuchten Arbeitsbereich nicht zurecht kommt, kann es sinnvoll sein, einen anderen Betrieb zu suchen, der besser auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist.

  5. Begleitender Unterricht: Berufsschule und Theorieblöcke

    Neben der Qualifizierung im Betrieb findet an einem Tag in der Woche der fachspezifische Unterricht in der Berufsschule statt. Hier lernen die Teilnehmer sich auch als Gruppe kennen und haben die Möglichkeit, sich über ihr Arbeitsleben und alles, was damit verbunden ist, auszutauschen. In diesem Teil des Unterrichts, der sogenannten "Rückmelderunde", sind die Berufsschullehrerin und ein oder zwei Anleiter des externen Berufsbildungsbereichs anwesend. Im eigentlichen Berufsschulunterricht greift die Berufsschullehrerin betriebliche Anforderungen an die Teilnehmer auf und bearbeitet sie. Zusätzlich zur Berufsschule findet viermal im Jahr ein einwöchiger Unterrichtsblock statt, den das Anleitungsteam vorbereitet und gemeinsam durchführt. Themen dieser Blöcke sind zum Beispiel: Einführung: Erwartungen der Berufswelt, Kundenorientierung, Grundpflege: Assistenz bei pflegerischen Tätigkeiten, Leben und Sterben: Umgang mit alten, kranken oder sterbenden Menschen, Service: Alles, was mit Service in der Pflege in Verbindung steht, einschließlich eines Servierkurses.

  6. Übergang in ein Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis

    Rechtzeitig vor Ablauf der Maßnahme führen die Arbeitsbegleiter Verhandlungsgespräche mit dem Arbeitgeber, um den Teilnehmern einen möglichst lückenlosen Übergang ins Berufsleben zu schaffen. Stellt sich heraus, daß ein Teilnehmer keine Chance auf eine Anstellung mit regulärer Entlohnung hat, gilt es abzuwägen, ob ein ausgelagerter Werkstattarbeitsplatz in diesem Betrieb möglich ist, oder ob er die Maßnahme in einem anderen Betrieb beendet, der mehr Möglichkeiten auf Übernahme bietet.

    Am Ende ihrer Qualifizierung bekommen die Teilnehmer ein Zertifikat, in dem alle praktisch und theoretisch erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten individuell aufgeführt sind. Dazu kommt das Berufsschulzeugnis. Kooperationspartner der Elbe-Werkstätten ist die Hamburger Arbeitsassistenz, die die Vermittlung der Teilnehmer in ein reguläres Arbeitsverhältnis anstrebt. Bei einer Festanstellung im Betrieb gewährleistet sie die Nachbetreuung. Die ausgelagerten Arbeitsplätze der Werkstatt werden von zwei speziellen "Fachkräften für unterstützte Beschäftigung" betreut.

Wären die sechs nicht schon im Frühjahr, sondern erst zum Jahresende 2004 in ihre Qualifizierung eingestiegen, hätten sie noch mehr Tätigkeitsfelder zur Auswahl gehabt. Die vier Werkstattbetriebe in Hamburg beginnen dann ein neues, von der EU gefördertes Projekt, das weitere externe Qualifizierungsfelder erschließt, nämlich die Bereiche "Gastronomie", "Einzelhandel" und "Hotel". Vielleicht sind die Teilnehmer dieser Maßnahme die ersten BBB-Absolventen mit anerkanntem Abschluß. Für diese neuen Bildungsgänge streben die Werkstätten die Anerkennung nach § 50 des Berufsbildungsgesetzes an.

Dieter Basener, Elbe-Werkstätten Hamburg


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