In Deutschland arbeiten in ca. 700 Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) etwa 240.000 Menschen mit zumeist geistiger oder psychischer Behinderung. Ihre Anliegen standen im Mittelpunkt der Konferenz.
Mit großer Besorgnis wurden einzelne Berichte entgegengenommen, denen zufolge regionale Agenturen für Arbeit trotz Vorliegens eindeutiger rechtlicher Voraussetzungen die Aufnahme behinderter Menschen in den Berufsbildungsbereich der WfbM mit Hinblick auf die Kassenlage verweigern. In der untenstehenden Resolution bitten wir dringlich, dieser Entwicklung konsequent entgegenzutreten und die Arbeitsagenturen zu veranlassen, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen.
Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung
Resolution der Teilnehmenden des 11. Führungskräftetreffens in Werkstätten der Lebenshilfe "Zukunft der Werkstatt - Werkstatt der Zukunft" in Lübeck am 29.04.2005
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An
das BMGS und das BMWA
die Bundesagentur für Arbeit und deren Regionaldirektionen
die Behindertenbeauftragten des Bundes und der Länder
die behindertenpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien
zur Kenntnis: BAG WfbM, LAG WfbM, Behindertenverbände
Am 12.04.2005 teilte die Agentur für Arbeit Stade einer behinderten Frau mit, sie habe zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben; aufgrund der angespannten Haushaltssituation sei jedoch entschieden worden, vorrangig Personen zu för-dern, deren Ziel eine Berufsausbildung sei. Hier handelt es sich nicht um Einzelfälle - auch weitere Agenturen für Arbeit in Niedersachsen, Hessen, Bayern und Schleswig-Holstein versandten bereits entsprechende Ablehnungsbescheide.
In etlichen Werkstätten droht so dem Berufsbildungsbereich der Entzug der Finanzierungsgrundlage - mit der fatalen Konsequenz, daß den behinderten Menschen in der Folge auch der Arbeitsbereich der Werkstätten verschlossen bleibt.
Vorgehensweisen, wie die hier beispielhaft genannten, widersprechen dem Auftrag der WfbM, sind rechtswidrig und können nicht hingenommen werden. Die Rechtsstaatlichkeit sieht im Einzelfall vor, daß verbriefte Rechte auch eingeklagt werden können. Geist und Inhalt unseres Sozialstaats gebieten es, daß gerade behinderte und benachteiligte Mitglieder unserer Gesellschaft ihre Rechte wahrnehmen können, ohne daß diese in einer wachsenden Zahl von Fällen - am Ende gar als pervertierter Normalfall - eingeklagt werden müssen.
Gründe für zunehmende Bestrebungen, Rechte auf Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben diesen vorzuenthalten, liegen im Bestreben, Ausgaben und Kosten zu senken. Damit wird jedoch das Recht der Betroffenen de facto unter einen Haushaltsvorbehalt gestellt, der politisch nicht legitimiert ist - das Handeln der Agenturen für Arbeit gerät in Widerspruch zu ihrem Auftrag der Förderung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Wir, die 350 Teilnehmenden am 11. Treffen der Führungskräfte aus Werkstätten für behinderte Menschen in der Lebenshilfe verurteilen mit Nachdruck alle Versuche, behinderten Menschen Rechte streitig zu machen oder zu nehmen, die ihnen der Gesetzgeber zugeschrieben hat.
Wir erwarten von allen Verantwortlichen in Parlamenten, Ministerien und Verwaltungen, daß sie sich mit Nachdruck dafür einsetzen: Geltende Rechte behinderter Menschen sind ohne Wenn und Aber und ungeachtet etwaiger Vorbehalte der Finanzierbarkeit konsequent umzu-setzen. Teilhabe ist ein kostbares Gut, das nicht aus Rücksicht auf die Haushaltskassen unterlaufen oder zurückgenommen werden darf.