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Der ganz normale Wahnsinn
Das neue Jahr mit dieser Überschrift zu beginnen, scheint provokativ. Tatsächlich gibt es viele Fakten, die zu dem spontanen Ausruf reizen: Wahnsinn! Denken Sie nur an die vielen Millionen Arbeitslosen, die Jugendlichen ohne Ausbildungsstelle, die jungen Leute ohne Berufschancen, das wachsende Heer an Obdachlosen und die zunehmende Zahl an Verarmten. Wahnsinn.

Meine Überschrift stammt aber aus dem Feuilleton der F.A.Z. Dort stand geschrieben: „ Europäische Studie − Psychische Störungen sind keinesfalls selten.“ Es wird berichtet, daß die meisten Fehlzeiten am Arbeitsplatz auf psychische Störungen zurückzuführen sind und nicht auf somatische. Depressionen haben europaweit zugenommen. Viele psychische Erkrankungen drohen chronisch zu werden, weil keine, keine rechtzeitige oder keine ausreichende Behandlung erfolgt.

Wir können das bestätigen. Die Zahl der Werkstattbeschäftigten wächst, die aufgrund ihrer psychischen Eigenschaften aus dem Erwerbsleben ausgegliedert worden sind und keinen Weg zurück finden. Es ist und bleibt in unserer arbeitsorientierten Gesellschaft das Erwerbsleben, dem eine Schlüsselrolle für die körperliche und seelische Gesundheit unserer Bevölkerung zukommt. Mehr noch: Gesellschaftlich akzeptierte und bezahlte Arbeit ist das immer noch ausschlaggebende Kriterium für die soziale Anerkennung. Die Erwerbswirtschaft erfüllt ihre gesellschaftliche Verpflichtung immer weniger, für eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen zu sorgen. Dafür bemühen sich Wissenschaftler, Sozialpolitiker und Sozialethiker umso mehr, das Bewußtsein unserer Bevölkerung stärker auf andere gesellschaftliche Bereiche zu lenken, in denen Arbeit auch notwendig ist: die Familie und die Gemeinde etwa. Auch ehrenamtliche Arbeit hat einen enormen Stellenwert. Was wäre unser Sozialstaat ohne die ungezählten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in unseren Wohlfahrtsverbänden?

Arbeit ist nach wie vor der Schlüssel, der den Weg zur Teilhabe am Leben in unserer Gemeinschaft öffnet. Das gilt für alle und erst recht für die, die zeitlebens oder zumindest lange Zeit nicht erwerbstätig werden können. Dazu gehören die Hunderttausende von Menschen mit solchen körperlichen, mentalen oder psychischen Eigenschaften, die die Erwerbswirtschaft nicht akzeptiert. Für sie muß es ein Arbeitsangebot geben, das sie in unsere Mitte führt. Das beste Angebot, daß es in der deutschen Geschichte für diese Bevölkerungsteile je gegeben hat, sind unsere Werkstätten. Wir sind es, die den verachteten und abgeschobenen Bevölkerungsgruppen erstmals einen Selbstwert, eine Selbstsicherheit und ein Selbstbewußtsein vermittelt haben. Es ist keine Übertreibung: Das Wesen unseres Sozialstaates offenbart sich im Umgang mit seiner nicht erwerbsfähigen Bevölkerung. Durch unsere Gestaltungsbereitschaft und Gestaltungskraft haben wir diesen Sozialstaat entscheidend mitgeprägt. Was unser Hänschen früher nie lernen durfte, ist dem Hans endlich ermöglicht worden: Teilhabe am Arbeitsleben unter geschützten und persönlich angepaßten Bedingungen in unseren Werkstätten.

Sie sehen: Werkstätten sind die Optima Ratio in unserem Sozialstaat, die beste der zur Zeit möglichen Lösungen.

Für das neue Jahr benötigen wir Ihre Unterstützung, damit wir unsere Werkstätten weiter entwickeln, noch besser auf die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten ausrichten und mehr fester in unserem Gemeinwesen verankern können. Dafür haben sich Vorstand, Präsidium und unser höchstes Beschlußorgan, die Delegiertenversammlung, am Jahresende 2005 viel vorgenommen. Wir halten Sie auf dem laufenden und bitten Sie um Ihre aktive Mitgestaltung.

Dabei wünsche ich Ihnen ein erfolgreiches Neues Jahr!

Günter Mosen, Vorsitzender der BAG WfbM



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