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Die Entwicklung von Qualität und Qualitätsmanagement in der Arbeit mit Menschen

Im Sozial- und Gesundheitswesen ist die Entwicklung von Qualität und ihrer Definition traditionsgemäß schon immer eine Domäne der professionellen Mitarbeiter gewesen. Brisante Themen jedoch, wie finanzielle Zwänge, Beschwerden von betroffenen Menschen und ihre Interessengruppen oder politische Ideologien usw. haben dazu geführt, dass ein neues Qualitätsverständnis gefordert und auch angewandt wird. Doch dieses Qualitätsverständnis lehnt sich sehr an das Industriemodell an, wo die Konsenssuche nach allgemein gültigen Standards den Schwerpunkt bildet. Dies trifft im Sozial- und Gesundheitswesen auf die Konzepte von bedürfnis- und ressourcenorientiertem Arbeiten, wo die Einbindung der betroffenen Menschen in die Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse der Leistungen, die sie erhalten, verstärkt gefördert werden. Diesen Forderungen zum Trotz existieren nach wie vor zahlreiche Barrieren, die eine solche Einbindung verhindern.

Wenn betroffene Menschen, aber auch alle anderen Interessenparteien eingebunden werden sollen in die Entwicklung von Qualität, müssen solche Barrieren, um sie zu überwinden, erst verstanden werden. Wie wir sehen werden, spielen die Interessenparteien selbst eine wesentliche Rolle in der Erschaffung von Barrieren. Folgerichtig wird es unerlässlich sein, ihre Perspektiven zu eruieren und zu berücksichtigen, wenn ein solches Vorhaben erfolgreich sein soll.

Bereits jetzt ist zu erkennen, dass Werte eine wichtige Rolle in dieser Diskussion spielen. In der Tat, ist es ein Thema, das zwangsläufig dieses Essay begleiten wird. In diesem Zusammenhang werden wir auch die Konzepte von professionellem Status, von Kooperation und die diversen Perspektiven der verschiedenen Interessenparteien und die damit verbundenen Barrieren behandeln. Dies werde ich am Beispiel der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) diskutieren.

Qualität im WfbMs

Qualität im Sozial- und Gesundheitswesen ist eng mit der Lebensqualität eines Menschen verbunden. In ihrem historischen Kontext ist Qualität in diesem Bereich als ein altruistischer Auftrag der professionellen Mitarbeiter gesehen worden. Deren Werte sowie Definitionen von Krankheit und Behinderung sind jedoch traditionell in dem bio-medizinischen Modell[1] externer Link, mit dessen defizitären Fokus fest verankert. Explodierende Kosten, der sukzessive Abbau des Sozialstaats und wiederholte Skandale haben die Diskussion nach der Effektivität, Machbarkeit und dem Sinn eines solchen ‚altruistischen’ Qualitäts-Verständnisses entfacht.

Im Qualitätsmanagement, das aus der Industrie hervorgegangen ist, wurde ein neues Qualitäts-Verständnis entdeckt. Dieser industrielle Einfluss führte dazu, dass Lebensqualität an der Qualität des Geleisteten gemessen wird, d.h. an den Ressourcen (Geld, Personal oder quantitative Maße usw.), die aufgebracht werden, um einen Service anzubieten[2] externer Link. Von hauptamtlichen Mitarbeitern wird gefordert, dass sie inhaltliche Standards und Erfahrungswerte festschreiben, in dem Versuch Serviceleistungen zu verbessern. Jedoch sind Serviceleistungen von hoher Qualität, obwohl sie durchaus eine wichtige Rolle in der Förderung der Lebensqualität einer Person spielen können, nur ein Aspekt in einem Klienten-Netzwerk und garantieren keinesfalls eine höhere Lebensqualität. Dies lässt das divergente Werteverständnis zwischen hauptamtlichen Mitarbeitern und Klienten in bezug auf Lebensqualität bereits erahnen. Deshalb können Serviceleistungen, die sich ausschließlich an dem Geleisteten messen, nicht als alleiniger Indikator für Qualität in der Rehabilitation dienen.

Die Soziologen Bradley und Bersani haben für eine ergebnisorientierte Vorgehensweise plädiert, wobei Serviceleistungen nach dem subjektiv erfahrenen Ergebnis der Klienten gemessen werden und danach, wie sie die Einschränkungen von physischen und sozialen Barrieren qualitativ erleben[3] externer Link.

Eine positive Erfahrung ist jedoch nicht nur von dem Ergebnis der Serviceleistung abhängig, sondern kann allein von bestimmten Charakteristiken der Serviceleistung herrühren. Zum Beispiel ist es häufig nicht der Aufenthalt in der Psychiatrie, den viele Betroffene Menschen als hilfreich empfinden, sondern die Therapien, die dort angeboten werden[4] externer Link. Manche von denen könnten auch verstärkt gemeindenah angeboten werden, wenn die nötigen Ressourcen dafür freigesetzt werden. Ein ergebnisorientiertes Qualitäts-Verständnis, in der Arbeit mit Menschen, kann daher nicht als alleiniger oder gar zuverlässiger Maßstab angewandt werden. Folgerichtig kann nur mit einer prozessorientierten Vorgehensweise die Qualität von Serviceleistungen detailliert definiert werden, indem betroffene Menschen befähigt werden, im Sinne von Teilhabezentrierte Pädagogik (Empowerment) ihr eigenes Qualitäts-Verständnis darzustellen. Somit wird der Fokus von der Wahrnehmung von Dritten hin zu der struktur-, prozess- und ergebnisorientierten Wahrnehmung der Betroffenen selbst verlagert. Demnach ist die Frage nach dem Grad des Empowerments ein wichtiges Kriterium in der Beurteilung von Qualität in der Rehabilitation.

Qualitätssicherung

Da nur die betroffenen Menschen, wie oben ausgeführt wurde, die Qualität von erhaltenen Serviceleistungen effektiv und sinnvoll identifizieren können, sind sie es, die Qualität definieren müssen. Dennoch ist der Dienstleister die ausführende Instanz und trägt somit die Hauptverantwortung für die Umsetzung von Serviceleistungen. Die Dienstleister sind es also, die Qualitätssicherungs-Systeme (QS-Systeme) entwickeln und anwenden müssen. Aus diesem Grund jedoch werden die meisten QS-Systeme nur mit dem Ziel entwickelt, der Verantwortlichkeit und Rechenschaft von professionellen und anderen hauptamtlichen Mitarbeitern zu genügen. Dies führt aber dazu, dass sie fast ausnahmslos lediglich als Maßstab für Mindestanforderungen genutzt werden, anstatt als Referenzpunkte zur Förderung und Entwicklung von Qualität[5] externer Link.

Es hat sich herauskristallisiert, dass das Werteverständnis, vor allem das der Institution, eine Schlüsselrolle in der Qualitätssicherung spielt. Auch hier wird es also notwendig sein, betroffene Menschen in den Prozess zu involvieren, um ein Wertekonsens zu erzielen. Nur so wird sich Qualitätssicherung über die Zwänge und Beschränkungen der Verantwortlichkeit und Rechenschaften hinausbewegen[6] externer Link. Darüber hinaus erlaubt ein solcher Ansatz auch die Berücksichtigung unterschiedlicher ethnischer und kultureller Perspektiven.

Obwohl Audits durchaus das Potential besitzen, Diskrepanzen in Serviceleistungen aufzuzeigen, sie können kein Instrument sein, um die kooperative Zusammenarbeit, die unerlässlich ist, um Qualität zu entwickeln, zu fördern. Ihr Erfolg bleibt daher begrenzt[7] externer Link.

Professionalität und Qualität

Die überwältigende und machtvolle Präsenz von professionellen[8] externer Link Mitarbeitern im Sozial- und Gesundheitswesen legt die Behauptung nah, dass sie keine Befähigung brauchen, um an der Entwicklung von Qualität mitzuwirken. Doch ein Verständnis für die professionelle Perspektive ist unerlässlich, wenn die Befähigung von weniger machtvollen Interessenparteien gelingen soll.

Die allgemeine Akzeptanz der professionellen Wissensgebiete und die Monopolstellung, die die Professionellen auf ihr Wissen beanspruchen[9] externer Link führt dazu, dass sie traditionsgemäß maßgeblich an der Entwicklung von Qualität in WfbMs beteiligt sind. Doch eine solche Kombination stellt eine unüberwindbare Barriere für betroffene Menschen und deren Befähigung dar. Post-Strukturalistische Kritik konstatiert professionelles ‚Wissen’ in diesem Zusammenhang als ein Instrument der Unterdrückung, mit dem betroffene Menschen und deren Netzwerke professionellen Normen und Paradigmen unterworfen werden[10] externer Link.

Wissensverzicht ist jedoch nicht die Lösung. Im Gegenteil, denn professionelles Wissen ist zweifelsohne auch ein wichtiges Kriterium von Qualität. Doch dieses Wissen muss den anderen Interessenparteien zur Verfügung gestellt werden. Und zwar auf eine Art und Weise, die sie befähigt und nicht als ein weiterer professioneller Diskurs, der implizit eine Behinderung für alle anderen (nicht nur die betroffenen Menschen) darstellt.

Dies verlangt von dem professionellen Mitarbeiter, dass er oder sie sich sowohl mit neuen Theorien and Ansätzen, sowie mit den Perspektiven der verschiedenen Interessenparteien auseinandersetzt. Manche von diesen Perspektiven sind sicherlich anfechtbar, indem sie zum Beispiel Werteverständnisse umfassen, die anderen wenig Respekt zollen. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass sie persönlichen Erfahrungen oder vielleicht Gruppenerfahrungen entspringen, die zum Teil autoritär oder identitätsverachtend gewesen sein können. Somit sind sie als gesellschaftlich konstruierte Perspektiven anzusehen und besitzen daher aus der individuellen Perspektive heraus gesehen Legitimität. Dies deutet auf bestehende und potentielle Machtungleichgewichte, sowohl zwischen hauptamtlichen Mitarbeitern untereinander, wie auch zwischen Mitarbeitern und betroffenen Menschen. Der Schlüssel also, um ein gemeinsames Werteverständnis wenigstens im Ansatz zu etablieren, wird ein respektvoller Umgang sein, in dem alle Parteien als gleichberechtigt anerkannt werden. Dies verlangt vom professionellen Mitarbeiter aber auch, dass sie oder er eine offene, ‚nicht wissende’ Haltung einnimmt[11] externer Link.

Der privilegierte Status von professionellen Mitarbeitern hat jedoch weitere Implikationen; weil, wie in Neo-Weberischen, Feministischen und Neo-Marxistischen Theorien zu erkennen ist, wird dieser Status auch benutzt um berufliche, geschlechtliche und Klassen-Barrieren aufrecht zu erhalten[12] externer Link. Dies führt zu der Ausgrenzung von anderen Interessenparteien aus dem Qualitätsprozess, wie zum Beispiel weniger qualifizierte Pflegekräfte, die durch das in unserer Gesellschaft vorherrschende geschlechtsspezifische Verständnis und die Teilung von Arbeit, oftmals Frauen sind[13] externer Link. Doch es sind sie, die maßgeblich an der Qualitätserfahrung von betroffenen Menschen beteiligt sind, die unmittelbar den Risiken von Schaden und Rechenschaften[14] externer Link ausgesetzt sind, und denen ein emotionaler Einsatz abverlangt wird[15] externer Link.

Nichtsdestotrotz, auch professionelle Mitarbeiter sind erheblichem Druck ausgesetzt. Zum einen durch die Tatsache, dass sie sich auf professioneller und gesetzlicher Ebene der Rechenschaft stellen müssen[16] externer Link; zum anderen, durch die gesellschaftliche Kritik, der sie zunehmend ausgesetzt sind, wo Unzufriedenheit mit dem professionellen Krankheitsbegriff und die damit verbundene Werte herrscht, aber auch durch neue gesetzliche Anforderungen (z.B der Gesundheitsreform und SGB IХ usw.). Die Professionellen geraten somit zunehmend in Erklärungsbedarf. Doch die Verlagerung der administrativen und professionellen Grenzen führt dazu, dass ihr professioneller Status und die damit verbundenen Unterstützungsstrukturen geschwächt sind[17] externer Link, so dass auch sie eine gewisse Vulnerabilität erfahren.

Die professionelle Identitätskonstruktion[18] externer Link, die eine solche Defensivhaltung mit sich trägt, zusammen mit den oben erwähnten strukturellen Missverhältnissen ersticken weitestgehend die Partizipationsbereitschaft von anderen, weniger machtvollen Interessenparteien im Qualitätsprozess. Nur wenn Qualität und QS-Systeme nutzerorientiert ausgerichtet sind, und betroffenenMenschen gezielt in den Definitionsprozess eingebunden sind, werden positive Änderungen herbeigeführt.

Die betroffenen Menschen

Es reicht jedoch nicht aus, die betroffenen Menschen einfach zu Sitzungen (z.B. Informationsveranstaltungen) einzuladen; denn solche Sitzungen sind häufig nichts anderes als Instrumente des Machterhalts, in denen eine Einbindung suggeriert werden soll, obwohl sie in Wahrheit nur einen kosmetischen Wert besitzen. Darüber hinaus ist wegen des Profils solcher Sitzungen der Querschnitt der beteiligten Menschen nicht immer repräsentativ und oft sind es hauptsächlich die Aktivisten, die dort Gehör finden. Doch im Streben nach ihren legitimen Rechten, werden häufig die Rechte von anderen (z.B. die Rechte von Frauen, ausländischen Mitbürgern oder mehrfach behinderten Menschen) in solchen unrepräsentative Sitzungen übersehen oder nicht berücksichtigt[19] externer Link. Auch die Aufnahme von Klienten in Komitees (z.B. Werkstatträte) erweist sich oft nur als eine weitere Strategie des Machterhalts, indem der Einfluss, den sie dort nehmen können, bewusst gesteuert und somit geschmälert wird[20] externer Link.

Dies scheint dem Sinn von Befähigung und Einbindungen der betroffenen Menschen in den Qualitätsprozess zu widersprechen. Brown hat jedoch positive Ergebnisse in einem solchen Ansatz identifiziert:[21] externer Link

  • Betroffene Menschen, die in den Qualitätsprozess involviert sind, schaffen positive Rollenmodelle für andere Klienten.
  • Sie besitzen durch die gemeinsam erlebte Teilhabe der defizitär geprägten Rehabilitationsmodelle und die daraus entstehende ‚Behinderungskultur’, ein implizites Empathiereservoir.
  • Menschen, die involviert sind, können ihre Erfahrungen besser weiter geben, sowohl an hauptamtliche Mitarbeiter wie auch an andere Klienten.
  • Die Möglichkeit besteht, dass durch ihre Teilnahme, aktuelle akademische Theorien aus der Behindertenbewegung, die sich auf Menschenrechte stützen, besser Gehör finden.
  • Die Summe dieser Ergebnisse fördert das Selbstbewusstsein der betroffenen Menschen.

Obwohl die Einbindung von betroffenen Menschen keineswegs die Qualität von Serviceleistungen garantiert, ist deren Nichtvorhandensein ein Indikator von schlechter Praxis. Empowerment führt daher nicht zwangsläufig zu signifikanten Änderungen im Sozialen- oder Wirtschaftlichenstatus eines Menschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es einen therapeutischen Effekt hat, ist allerdings hoch[22] externer Link.

Doch Machtungleichgewichte speisen Unsicherheiten und Ängste bei allen Beteiligten[23] externer Link. Im Fall von Klienten und weniger machtvollen Mitarbeitern (z.B. Pflegekräfte) dürfte diese Tatsache selbsterklärend sein. Wir haben jedoch gesehen, dass auch professionelle Mitarbeiter in eine defensive Rolle manövriert worden sind und sich selbst manövriert haben.

Barrieren für die Mitwirkung der Betroffenen Menschen

Das SGB IX schien den Weg für die verstärkte Mitwirkung von betroffenen Menschen in WfbMs zu ebnen, indem es zum Beispiel den Stellenwert des Werkstattrates erhöhte[24] externer Link. Bereits jetzt ist aber zu erkennen, dass der Erfolg, den dieser Paragraph zu erzielen vermag, begrenzt ist. Wie wir bereits gesehen haben, liegt dies zum Teil daran, dass die Mitwirkung von betroffenen Menschen nur ‚Kosmetik’ ist und sich auf Konsultation begrenzt. Klienten sind daher zwar in die Planung der Serviceleistungen, die sie erhalten, involviert, aber nicht in die Debatte über Qualität oder Sinnhaftigkeit solcher Serviceleistungen.

Darüber hinaus haben Beresford und andere[25] externer Link drei weitere Barrieretypen zur Nutzer-Partizipation identifiziert:

  1. Kommunikationsschwierigkeiten – Kommunikation ist durch immanente Machtmissverhältnisse zwischen den verschiedenen Interessenparteien eingeschränkt. Die Entmachtung, die die Klienten erfahren, führt dazu, dass sie eine Mitwirkung als sinnlos erachten. Diese Empfindung wird verschärft durch eine unternehmerische und gesellschaftliche Kultur des stetigen Wandels, den wir Fortschritt nennen und mit dem immer mehr Menschen, ob sie Betroffene sind oder nicht, zunehmende Bewältigungsschwierigkeit haben.
  2. Konkurrierende Diskurse – Im unternehmerischen Handeln einer WfbMs wird Qualität allein an der Effizienz, Effektivität und Wirtschaftlichkeit der Prozesse definiert. Hier kommt der bereits erwähnte Fokus auf individuelle Defizite hinzu, die das bio-medizinische Modell mit sich bringt. Hingegen richtet sich der Qualitätsfokus eines betroffenen Menschen über das unternehmerische Qualitätsverständnis hinaus auf seine erlebten Schwierigkeiten, Bedürfnisse und Rechte[26] externer Link.
  3. Divergentes Werte-Verständnis – Die Definition von Qualität ist von Werten gesteuert. Eine Diskussion über das Qualitäts-Verständnis enthält folgerichtig eine Diskussion über Werte. Die Werte von Institutionen jedoch sind unter anderem auch in zahlreichen Erzählungenvon Goffman , Erving (1973) um nur wenige zu nennen.">[27] externer Link von Unterdrückung und Misshandlung zu finden. In einer solchen ‚Landschaft’ haben Nutzer-Gruppen nur selten die sprachliche Hebelwirkung ihrem Diskurs das nötige Momentum zu verleihen; jegliche Diskussion über Werte ist daher ebenfalls von Ungleichberechtigung geprägt.

Wie können wir, in Anbetracht der mannigfaltigen Perspektiven und Werte der verschiedenen Interessenparteien und Barrieren, die damit verknüpft sind, Qualität und Qualitätsmanagement in der Arbeit mit Menschen wirksam und nachhaltig entwickeln und fördern?

Strategien um die Partizipation von allen Interessenparteien zu befähigen

Rückblickend ist deutlich zu erkennen, dass ein gewisser Wertekonsens unabdingbar ist, um Qualität in der Rehabilitation zu fördern. Es ist auch zu erkennen, dass der Schlüssel, dies zu erreichen und somit die Partizipation aller Interessenparteien zu befähigen, im Schmieden von ‚neuen’ Beziehungen liegt. Wir haben gesehen, dass jede Interessenspartei ihre eigene Perspektive und ihr eigenes Werteverständnis hat, das vornehmlich aus Erfahrungen geformt ist. Spätestens hier müssen wir uns darüber im klaren sein, dass manche dieser Erfahrungen in Handlungen mit anderen Interessenparteien gemacht worden sind, mit denen jetzt ein Wertekonsens etabliert werden soll. Zum Beispiel hat vielleicht ein Mitarbeiter im Gruppendienst negative Erfahrung mit professioneller Identitätskonstruktion in der Begegnung mit Psychologen oder Sozialarbeitern gemacht. Oder ein betroffener Mensch hat respektlose Behandlung von einem Mitarbeiter im Gruppendienst erfahren usw.

Der Versuch ein Wertekonsens in einen solchen Rahmen zu etablieren besitzt daher zwangsläufig ein aufrüherisches Potential, dass extremes Feingefühl von demjenigen, der es realisieren möchte, erfordert. Es bedarf der Geschicklichkeit in der Kommunikation und Mediation, um einen konstruktiven Dialog zu initiieren[28] externer Link. Wegen der divergenten, oft konfliktierenden Perspektiven der verschiedenen Interessenparteien, wird der Mediator allerdings aufgefordert sein, Grenzen abzustecken und bestehende Sichtweisen und Annahmen zu hinterfragen. Die treibende Kraft hier wird das definitive Streben von Seiten der machtvolleren Interessenparteien sein, den Empowermentansatz umzusetzen und dabei zu erkennen, dass professionelle Diskurse und bestehende Machtungleichgewichte implizit Instrumente der Unterdrückung sind[29] externer Link.

Dies wiederum erfordert echte Kooperation zwischen allen Beteiligten, die meistens jedoch fehlt. Wir dürfen aber nicht in die von Hudson identifizierte ‚Kooperations-Falle’ tappen, wo die Lösung von Kooperationsmangel, der Ruf nach mehr Kooperation ist[30] externer Link! Denn ein solcher Ruf ignoriert bestehende strukturelle und professionelle Barrieren, die echte Kooperation verhindern. Doch sie sind es, die beseitigt werden müssen, wenn Kooperation und folgerichtig Qualitätsmanagement in der Rehabilitation erfolgreich sein soll. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn traditionelle Grenzen überschritten und abgebaut werden[31] externer Link. Hierbei ist es erforderlich, Schwerpunkte auf Kompetenzen anstelle Qualifikationen zu legen, und zwar bei allen Beteiligten. Nur so wird die häufig empfundene Überflüssigkeit von Qualitätsmanagement und die Auffassung, dass Partizipation darin als sinnlos erachtet wird, überwunden und somit der Weg zur Qualität in der Rehabilitation geebnet.

Martin Elliott 2003


[1] externer Link Priestley, M. (2000) ‘Dropping ‘E’s: the Missing Link in Quality Assurance for Disabled People’ in Davies, C. Finlay, L. and Bullman, M. (eds.) Changing Practice in Health and Social Care. London, Macmillan. S.182

[2] externer Link Richie und Ash zitiert in Priestley, M. [wie zu 1] S.183

[3] externer Link Priestley, M. (2000) [wie zu 1] S.183

[4] externer Link Psychoseseminar, Heidelberg (2003)

[5] externer Link Bradley und andere in Priestley, M. (2000) ‘Dropping ‘E’s: the Missing Link in Quality Assurance for Disabled People’ in Davies, C. Finlay, L. and Bullman, M. (eds.) Changing Practice in Health and Social Care. London , Macmillan. S.185

[6] externer Link Priestley, M. (2000) ‘Dropping ‘E’s: the Missing Link in Quality Assurance for Disabled People’ in Davies, C. Finlay, L. and Bullman, M. (eds.) Changing Practice in Health and Social Care. London, Macmillan. S.186.

[7] externer Link Davies, C. (2000) ‘Frameworks for regulation and accountability: threat or opportunity?’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby, M. (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage.

[8] externer Link Professionell im diesen Sinne heißt akademisch geschultes Personal (z.B. Psychologen, Sozialarbeiter und pädagogen, Controller usw.)

[9] externer Link Williams in Finlay, L. (2000) ‘The challenge of professionalism’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby, M. (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage. S.77

[10] externer Link Foucault in Finlay [wie zu 9] S.85

[11] externer Link Brechin, A. (2000) ‘Introducing critical practice’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby, M. (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage.

[12] externer Link Finlay, L. (2000) ‘The challenge of professionalism’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby, M. (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage. S.80-85

[13] externer Link Smith, P. and Agard, E. (2000) ‘Care Costs: towards a Critical Understanding of Care’ in Davies, C. Finlay, L. and Bullman, M. (eds.) Changing Practice in Health and Social Care. London, Macmillan.

[14] externer Link Solchen Rechenschaften verteilen sich natürlich auf mehrere Schultern. Doch der Verantwortungsdruck und die damit verbundene Vulnerabilität, das Pflegepersonal empfindet, können auch auf die Qualitätserfahrung betroffener Menschen unmittelbare Auswirkungen haben.

[15] externer Link Smith in Brechin, A. (2000) ‘Introducing critical practice’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby, M. (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage. S.36

[16] externer Link Eby, M. (2000) ‘Understanding professional development’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby. A (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage.

[17] externer Link Finlay, L. [wie zu 12] S.89
[18] externer Link Tucker, S. (2000) ‘Youth Working: Professional Identities Given, Received or Contested?’ in Roche, J. and Tucker, S. (eds.) Youth in Society. London, Sage.

[19] externer Link Shakespeare und andere in Brown, H. (2000) ‘Challenges from service-users’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby, M. (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage. S.106

[20] externer Link Brown, H. (2000) ‘Challenges from service-users’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby, M. (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage. S.99-103

[21] externer Link Brown, H. (2000) [wie zu 21] S.105

[22] externer Link Brown, H. (2000) ‘Challenges from service-users’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby, M. (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage. S.102-103

[23] externer Link Beresford, P. Croft, S. Evans, C. and Harding, T. (2000) ‘Quality in Personal Social Services: The Developing Role of User Involvement in the UK’ in Davies, C. Finlay, L. and Bullman, M. (eds.) Changing Practice in Health and Social Care. London, Macmillan. S.192

[24] externer Link §139 Mitwirkung

[25] externer Link Beresford und andere [wie zu 23] S.189-190

[26] externer Link Oliver in Beresford, P. Croft, S. Evans, C. and Harding, T. (2000) ‘Quality in Personal Social Services: The Developing Role of User Involvement in the UK’ in Davies, C. Finlay, L. and Bullman, M. (eds.) Changing Practice in Health and Social Care. London, Macmillan. S.194

[27] externer Link Anzuführen sind hier „Wahnsinn: meine Reise durch die Psychiatrie der Republik“ von Heitkamp, Uwe (1989),“The Writing on the Wall“ von Wood, Mary Elena (1994) oder Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen“ von Goffman
, Erving (1973) um nur wenige zu nennen.

[28] externer Link Brechin, A. (2000) ‘Introducing critical practice’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby, M. (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage. S.37

[29] externer Link Fletcher in Brechin, A. (2000) [wie zu 28] S.37

[30] externer Link Hudson, B. (2000) ‘Inter-agency collaboration – a sceptical view’ in Brechin, A. Brown, H. and Eby, M. (eds.) Critical Practice in Health and Social Care. London, Sage.

[31] externer Link Hudson, B. (2000) [wie zu 30] S.254



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