Panorama 24.10.06
Sprichwörter als Ersatz für differenzierte Leistungen
Die Deutschen galten lange als Volk der Dichter und Denker. Gedichtet wird immer noch. Vor allem, wenn es um handfeste finanzielle oder politische Interessen geht. Dann wird rasch ein kleiner Spruch entworfen. Der kommt als Imperativ daher, um keine Zweifel an seinem Anspruch auf Alleinherrschaft aufkommen zu lassen. Solche Sprüche sind: „Ambulant vor stationär.“ „Erst plazieren, dann rehabilitieren.“ Trifft man einen solchen Sprücheklopfer bei Veranstaltungen, kann man nicht mehr überzeugen. Jeder kurze Spruch ist wirkungsvoller als jedes qualifizierte Argument von mehr als vier Wörtern. Das hat sich eine auflagenstarke deutsche Zeitung bekanntlich zur Devise gemacht.

So manche kurzgefaßte Volksweisheit ist das Ergebnis langjähriger Erfahrungen, die Konsequenz aus Entwicklungen: Reden ist Silber, schweigen ist Gold. Und doch sind viele von ihnen falsch: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Viele Sprüche sind wie Totschläger: Arbeit macht frei, hatte 1872 der Hesse Lorenz Diefenbach seinen Roman betitelt. Er meinte es gut, um im Sprichwort zu bleiben.

Modesprüche wie „ambulant vor stationär“ sind rechthaberisch und gefährlich. Sie sind einseitig, lassen keinen Platz für unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse. Sie höhlen das Wahl- und Entscheidungsrecht aus, fordern geradezu dazu auf, jede Alternative von vornherein zu verwerfen. Noch schlimmer: Solche Sprüche haben die Tendenz zu diffamieren.

Wie ist es mit dem: Erst denken, dann reden.



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