Aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 05. Dezember 2002, Az.: 6 ACR 539/01:
Leitsätze des Gerichts:
- Die Dauer einer Fortbildung ist ein Indiz für die Qualität der erworbenen Qualifikation. Dauert sie nicht länger als 1 Monat und zahlt der Arbeitgeber während dieser Zeit das Entgelt des Arbeitnehmers fort, ist in der Regel nur eine Bindung des Arbeitnehmers bis zu 6 Monaten zulässig.
- Die Höhe der vom Arbeitgeber bezahlten Reise- und Hotelkosten sowie die Höhe des fortgezahlten Entgelts ist kein Indiz für die dem Arbeitnehmer durch die Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme erwachsenen beruflichen Vorteile.
Im Rahmen einer Zahlungsklage begehrt der Kläger die Erstattung von Fortbildungskosten.
Beim Kläger handelt es sich um ein Unternehmen, das Energieanlagen montiert und wartet. Der Beklagten ist Monteur, der seit April 1998 bei der Klägerin tätig war. Für einen bestimmten Dieselmotor gibt es 6 Wartungsstufen, wobei der Beklagte bereits bei Einstellung für 4 Wartungsstufen qualifiziert war. Jede Stufe setzt einen Lehrgang voraus. Für die 5. Stufe bewilligte die Klägerin dem Beklagten einen Wartungslehrgang, den sie auch bezahlte. Zugrunde gelegt wurde hier eine Vereinbarung, in der sich der Beklagte verpflichtete, nach Teilnahme an der Schulung über die Wartungsstufe 5 die Lehrgangskosten zurück zu zahlen, falls er innerhalb von 3 Jahren aus eigenen Gründen aus dem Unternehmen ausscheidet. Diese Vereinbarung sei aus Wettbewerbsaspekten geschlossen worden. Nachdem der Beklagte im Januar/Februar 2000 zwei Wochen an dem Wartungslehrgang teilnahm, kündigte er sein Arbeitsverhältnis zum 31.08.2000.
Daraufhin forderte die Klägerin die Fortbildungskosten in Höhe von insgesamt 7.442,42 DM zurück. Der Betrag betrifft Lehrgangskosten, Hotelkosten, Reisekosten, sowie fortgezahlten Bruttolohn. In Höhe von 3.469,72 DM rechnete die Klägerin mit dem Lohn auf, den Differenzbetrag klagte sie ein. Während die Klägerin der Meinung war, daß der Beklagte verpflichtet sei die Fortbildungskosten zurückzuzahlen, da zum einen eine vertragliche Vereinbarung bestehe und zum anderen ein geldwerter beruflicher Vorteil bestehe, beantragte der Beklagte Klageabweisung. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Mit der Revision hatte die Klägerin keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der verauslagten Fortbildungskosten. Das Landesarbeitsgericht war der Auffassung, daß die Rückzahlungsvereinbarung unwirksam war, da sie den Arbeitnehmer nach Abschluß des Lehrganges länger als 6 Monate an das Arbeitsverhältnis band. Da der Beklagte erst zum 31.08.2000 ausschied, waren diese 6 Monate bereits erfüllt.
- Nach ständiger Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, daß einzelvertragliche Abreden grundsätzlich wirksam sind, die den Arbeitnehmer verpflichten, vom Arbeitgeber aufgewendete Fortbildungskosten zurückzuzahlen, wenn er innerhalb einer bestimmten Frist das Arbeitsverhältnis beendet. Grundsätzlich sind jedoch die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu ermitteln. Hier spielen zum einen die Grundsätze nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie die Grundrechte der Berufswahlfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) eine Rolle. Der Arbeitnehmer muß eine angemessene Fortbildungsleistung erhalten haben, wohingegen der Arbeitgeber ein billigenswertes Interesse an der Rückzahlung haben muß.
- Das Interesse des Arbeitgebers, der Fortbildungen ermöglicht und bezahlt, liegt in der betrieblichen Nutzung der vom Arbeitnehmer erworbenen Qualifikation. In einer Abwägung sind die Belange des Arbeitgebers sowie die freie Arbeitsplatzwahl des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Wichtiger Punkt ist der geldwerte Vorteil für den Arbeitnehmer, den er durch die Fortbildung erlangt hat. Eine Beteiligung an den Fortbildungskosten kann dem Arbeitnehmer einfacher zugemutet werden, wenn er aus dieser Fortbildung berufliche Vorteile erzielt. Dies ist am allgemeinen Arbeitsmarkt und seinen bisherigen beruflichen Möglichkeiten zu messen. Man kann auch sagen, daß die Beteiligung an den Kosten unzulässig ist, wenn die Fortbildung nur innerbetrieblichen Nutzen hatte oder lediglich der Auffrischung vorhandener Kenntnisse diente.
- Bei Festlegung der Bindungsdauer muß diese verhältnismäßig zum erlangten beruflichen Vorteil und zur Fortbildungsdauer sein. Es ist die Qualität der erworbenen Qualifikation zu beurteilen. Beurteilungskriterien können hier sowohl die Kosten als auch die Dauer der Fortbildung sein. Bisher hat sich in der Rechtsprechung der Grundsatz herausgebildet, daß bei einer Fortbildungsdauer von einem Monat eine Bindung von bis zu 6 Monaten zulässig sei.
- An diese Grundsätze hielt sich das BAG bei der Feststellung der Unwirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung zwischen Klägerin und dem Beklagten, aufgrund der überlangen Bindungsdauer. Zugrunde lag hier eine Fortbildung mit der Dauer von 14 Tagen und eine Qualifikation über Wartungsarbeiten der Stufe 5 eines speziellen Dieselmotors, der im Rahmen der beruflichen Vorteile nicht besonders hoch einzuschätzen ist. Insbesondere, da es wenig Arbeitgeber und sehr wenige Aufträge für die Wartung in Stufe 5 gibt.
Im vorliegenden Fall waren die Gesamtaufwendungen in Höhe 3.805,25 € kein Indiz für die Qualität des Lehrgangs, da ein erheblicher Teil Reise- und Hotelkosten betraf. Nicht die gesamten Kosten, sondern die Kosten der Fortbildung sind zu berücksichtigen. Auch die Kosten der Lohnfortzahlung können nicht als Qualitätsmaßstab für die Ausbildung angesetzt werden. Auch wenn bei hohen Gesamtkosten das Interesse des Arbeitgebers an einer langen Bindungsdauer steigt und damit auch das Festhalten an der Rückzahlungsvereinbarung begründet ist, steht jedoch kein vermögenswerter Punkt das Arbeitnehmers in Form von qualitativer Fortbildung gegenüber.
- Die vom LAG reduzierte Bindungsdauer auf 6 Monate hat die Revision nicht beanstandet.
- Wird durch einzelvertragliche Rückzahlungsklauseln eine zu lange Bindungsdauer vereinbart, so hat eine Reduzierung in analoger Anwendung von § 139 BGB stattzufinden. Die geltungserhaltende Reduktion hat zu berücksichtigen, welche Bindungsdauer nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von den Parteien vereinbart worden wäre bzw. vereinbart hätte werden können.
- Die Überprüfung, ob der mutmaßliche Parteiwille richtig ermittelt wurde, obliegt nicht der Revision.
- Für die ergänzende Vertragsauslegung sprach, daß die Parteien unter dem Punkt „Wettbewerbsaspekt“ die Bindungsfrist vereinbarten. Damit ist davon auszugehen, daß die rechtlich zulässige Frist Vorrang vor keiner Fristvereinbarung hat.
- Von den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung wurde nicht abgewichen. Weiter hält die Revision Fortbildungskosten in Höhe von 7.442,42 DM (3.805,25 €) für ein mittelständisches Unternehmen nicht für außergewöhnlich hoch, so daß mehr als 6 Monate Bindungsfrist nicht interessengerecht sein könnte.