Arbeitswelt 02.06.07
Hannover Messe: „Neue Wege der Teilhabe“
In der Fülle der Veranstaltungen während der Hannover Messe 2007 leistete auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen (LAG:WfbM) Niedersachsen/Bremen ihren Beitrag und lud zu einem Symposium mit dem Titel „Neue Wege der Teilhabe“ ein.

Der Vorsitzende Detlef Springmann, zugleich Geschäftsführer der Lebenshilfe Braunschweig, hob die gute Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium hervor. Stellvertretend für deren erkrankte Ministerin betonte Referatsleiter Gerhard Masurek die Bedeutung der Werkstätten für behinderte Menschen: Diesem Personenkreis eine Beschäftigung auf so hohem Niveau zu geben, sei weltweit nahezu einmalig. Durch die veränderten Ansprüche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und die Zunahme von Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen wachse die Bedeutung der Werkstätten weiter, hob Masurek hervor. Er dankte deshalb allen, die Menschen mit Behinderung qualifizieren und ihre Arbeit schätzen, und sicherte die weitere Unterstützung des Sozialministeriums zu.

Ähnlich wie Barbara Busch, Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der niedersächsischen Werkstatträte, die Zufriedenheit mit der Arbeit als einen wichtigen Aspekt der Teilhabe von Menschen mit Behinderung nannte und ein Vorantreiben der Integration durch Politiker, Firmen und Werkstätten forderte, äußerte sich auch der Behindertenbeauftragte des Landes Niedersachsen, Karl Finke: „Teilhabe an der wirtschaftlichen Wertschöpfung bedeutet Teilhabe an der gesellschaftlichen Wertschätzung.“ Wichtig sei deshalb vor allem, jungen Menschen eine Perspektive zu bieten und Menschen mit Behinderung bei Projektplanung, -entscheidung und -durchführung auf Augenhöhe zu begegnen.

Dr. Joachim Steinbrück, Behindertenbeauftragter des Landes Bremen, sieht zu den Werkstätten für Menschen mit Behinderung in der bisherigen Absolutheit keine Alternative. „Aber die Werkstätten können mit ihrem Know-how und ihrer Erfahrung zukünftige Aufgaben gestalten und haben bereits zusätzliche Modelle wie Integrationsprojekte und ausgelagerte Arbeitsplätze auf den Weg gebracht.“

Wie selbstbewußt und erfolgreich Werkstätten neue Aufgaben entwickeln und auf dem Markt umsetzen können, machte Wilfried Hautop, Geschäftsführer der Werkstatt Bremen – Martinshof, deutlich. „Die Werkstätten sind für die behinderten Menschen eine der großen Errungenschaften in der deutschen (Nachkriegs-) Geschichte. Nach dem Einsperren der Andersartigen und der Vergangenheit des Nazi-Regimes sind über die Leitbilder der Fürsorge, der Rehabilitation und der Integration jetzige Teilhabeansprüche möglich geworden. Werkstätten haben eine solche Entwicklung mit Arbeits- und Persönlichkeitsförderung konstruktiv fördernd begleitet.“ Jedoch hätten die Werkstätten ihrer ursprünglichen Zielsetzung entsprechend sicherlich nicht genug Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt, schränkte Hautop ein. „Aber wir wissen, was die Wirtschaft von Werkstätten erwartet, wir sind zuverlässig, haben Qualitäts- und Umweltmanagement und kennen Logistik und Disposition. Und wir sind bereits Systemlieferanten für große Unternehmen.“ Zurzeit gingen die Werkstätten aufs Ganze: „Wir versuchen nicht nur einzelne Beschäftigte in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Nein, wir versuchen gleich die ganze Werkstatt in die Stadt, den Landkreis oder mitten hinein in die Bevölkerung und Wirtschaftswelt zu integrieren.“ Ausgelagerte Arbeitsplätze und Außenarbeitsgruppen im Betrieb seien solche Projekte; zu den Partnern gehörten die Bremer Polizei ebenso wie der Fußballclub Werder Bremen. So seien Werkstätten Netzwerker zwischen Arbeits- und Sozialwelten.

Schließlich resümierte Heinz-Hermann Bentlage, Betriebsleiter bei der ContiTech Antriebssysteme in Hannover, die guten Erfahrungen seines Unternehmens mit Menschen mit Behinderungen. Von den mehr als 30 Millionen Antriebsriemen, die das Werk jährlich produziere, würde ein Drittel von etwa 170 Menschen mit Behinderung in Schachteln verpackt. Für knapp die Hälfte der Mitarbeiter sei in der Firma eine eigene Produktionshalle geschaffen worden: „Wir haben kürzere Transportwege und damit schnellere Lieferzeiten“, zeigte sich Bentlage zufrieden. Die Qualitätssicherung gelte mit den gleichen strengen Normen, „ohne Bonus für Behinderung“, und bei Auftragsspitzen zeigten sich alle flexibel. Das Selbstverständnis laute: Auch wir, die Menschen mit Behinderung, sind „Continentäler“.

Übrigens: Auf dem Stand der LAG:WfbM in Halle 4 hieß es eine Woche lang nicht nur „Schauen und Informieren“, sondern auch „Nehmen Sie Platz“ auf einem mächtigen Sessel, hergestellt aus Papierschnipseln. Denn diese Einladung war gekoppelt an das diesjährige Messethema der Landesarbeitgemeinschaft - „Digitale Datenerfassung und Aktenvernichtung“ -, mit dem Werkstätten auf ihre Leistungsfähigkeit in diesem Dienstleistungsbereich aufmerksam machten. Dazu gehören Einzelarbeitsplätze, auf denen voll konzentriert Rechnungen, Zeitschriftenartikel oder auch Briefwechsel eingescannt und unter Schlagworten elektronisch abgespeichert werden, aber auch ganze „Arbeitsstraßen“, wo angelieferte Ordner in Kunststoff-, Metall- und Papiermaterialien sortiert und die Papiere unter strengstem Datenschutz geschreddert und recycelt werden. Zu den Kunden gehören nicht nur renommierte Banken mit einem bundesweiten Servicenetz, sondern auch Behörden, Rechtsanwälte, Zahnärzte sowie Handwerks- und andere Mittelstandsbetriebe.
Elke Franzen


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