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Zusatzurlaub für Werkstattbeschäftigte
Immer wieder stellt sich die Frage, ob der Zusatzurlaub allen Werkstattbeschäftigten zusteht, auch wenn sie keinen Schwerbehindertenausweis haben. Häufig werten Kostenträger (oder Rentenversicherungsträger) die fünf Tage Zusatzurlaub wie unbezahlte Urlaubstage, wenn kein Ausweis vorliegt. Die Erstattung der Aufwendungen nach § 179 Abs. 1 SGB VI werden demzufolge um fünf Tage verringert.
Laut § 125 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen. „Schwerbehindert“ im Sinne des Gesetzes (SGB IX Teil 2: Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen) sind Menschen, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Buches haben.
Für Werkstattbeschäftigte gibt es keine einheitliche Bewertung des GdB i. S. des § 136 SGB IX. Es ist aber unter Berücksichtigung der Kriterien der „GdB/MdE-Tabelle“ in aller Regel davon auszugehen, daß sie schwerbehindert sind. Grundsätzlich haben sie also einen Anspruch auf Zusatzurlaub. Um diesen geltend zu machen, sieht der Gesetzgeber vor, daß die Schwerbehinderung durch einen Nachweis belegt wird. „Allein durch die Beschäftigung in einer Werkstatt kann der Anspruch auf den Zusatzurlaub nicht begründet werden. Die Eigenschaft als schwerbehinderte Menschen ist ausdrücklich keine Aufnahmevoraussetzung in eine Werkstatt, die Definition der Werkstatt in § 136 SGB IX spricht deshalb auch nicht von ‚schwerbehinderten’, sondern von ‚behinderten’ Menschen“, so das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung im Februar 2003.
Diese Auffassung wird von der BAG WfbM nicht geteilt. Zwar sind nicht alle Werkstattbeschäftigten schwerbehindert. Viele von ihnen wollen jedoch keinen Schwerbehindertenausweis, auch wenn sie einen Anspruch darauf hätten, weil sie eine Stigmatisierung fürchten. Deshalb muß auch ihnen aufgrund ihrer Behinderung der Zusatzurlaub gewährt werden können. Der Zusatzurlaub sollte an den Personenkreis nach § 136 Abs. 1 gebunden werden: an Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können.
Bis dahin ist die Gestaltung der Werkstattverträge entscheidend. Werden dort keine differenzierten Angaben zum Urlaub getroffen oder ein Bezug zum Bundesurlaubsgesetz hergestellt, erhalten die Werkstattbeschäftigten nur die dort vorgesehenen Tage. Beschäftigte mit einem Schwerbehindertenausweis haben nach § 125 SGB IX entsprechend fünf Urlaubstage mehr.
In jedem Fall ist es angemessen, zumindest die Regelungen zu übernehmen, die für die nichtbehinderten Beschäftigten der Werkstatt gelten (Tarifvertrag, AVR o. ä.). Das gebieten schon das Diskriminierungsverbot und der Gleichstellungsgrundsatz nach § 3 GG. Oder es wird festgelegt, daß alle Werkstattbeschäftigten 30 Tage Urlaub erhalten. Diese Regelung gilt dann auch für Beschäftigte, die keinen Schwerbehindertenausweis haben. Dennoch bleibt auch hier der Anspruch auf Zusatzurlaub bei Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft bestehen; das hat jüngst ein Urteil bestätigt (LArbG Berlin-Brandenburg 5. Kammer vom 22.02.2007 Az: 5 Sa 1861/06).
Von der Gestaltung der Werkstattverträge und den darin getroffenen Vereinbarungen sind nach § 13 Werkstättenverordnung die Rehabilitationsträger zu unterrichten. Dieser sollte im Vorfeld von der Vertragsgestaltung in Kenntnis gesetzt werden. Zwar ist eine solche Vereinbarung ohne Zustimmung des Kostenträgers nicht unwirksam, sie darf aber auch nicht zu dessen Lasten wirken. Sind die Verträge in der beschriebenen Weise abgefaßt, sind sie auch für die Rehabilitationsträger bindend.
Die BAG WfbM bleibt bei ihrer Auffassung, daß es für den Anspruch auf Zusatzurlaub keines Schwerbehindertenausweises bedarf. Sie ist bereit, nach Absprache rechtlichen Beistand zu leisten, wenn die Klarstellung dieses Sachverhaltes über den Rechtsweg erfolgen soll.
Im Zusammenhang damit ist auf folgendes neues Urteil hinzuweisen:
Schwerbehinderte Menschen, die in einer Fünf-Tage-Woche arbeiten, haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr. Dabei ist es unerheblich, ob der arbeitsvertraglich vereinbarte Urlaub über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.10.2006 – 9 AZR 669/05
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Im vorliegenden Fall klagte ein schwerbehinderter Arbeitnehmer auf Gewährung von fünf Urlaubstagen zusätzlich zu dem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Urlaub von 29 Tagen. Der Arbeitgeber war der Auffassung, daß der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nur den gesetzlichen Mindesturlaub im Sinne von § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) erhöhe, der 24 Arbeitstage in der Sechs-Tage-Woche oder 20 Arbeitstage in der Fünf-Tage-Woche beträgt. Mit dieser Auffassung konnte sich der Arbeitgeber – wie bereits in den Vorinstanzen – nicht durchsetzen. Die Klage des schwerbehinderten Arbeitnehmers war auch vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) erfolgreich.
In seiner Begründung führte der Neunte Senat unter anderem aus, daß nach § 125 SGB IX schwerbehinderte Menschen einen Anspruch auf zusätzliche fünf Urlaubstage im Urlaubsjahr haben, wenn sie in der Fünf-Tage-Woche arbeiten. Der Wortlaut der Vorschrift bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Regelung sich auf den gesetzlich normierten Mindesturlaub beziehe. Der Senat führte weiter aus, daß die Neuregelung im SGB IX einer langen Gesetzestradition folge. Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken, daß schwerbehinderte Menschen stärker belastet sind und deshalb eine längere Zeit benötigen, um sich von der Arbeit zu erholen. Daher ist der Urlaub, den der schwerbehinderte Beschäftigte ohne seine Behinderung beanspruchen könnte, nach § 125 Abs. 1 SGB IX um fünf Arbeitstage aufzustocken. Quelle: Zeitschrift ZB Behinderte Menschen im Beruf, März 2007
Laut § 125 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen. „Schwerbehindert“ im Sinne des Gesetzes (SGB IX Teil 2: Besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen) sind Menschen, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Buches haben.
Für Werkstattbeschäftigte gibt es keine einheitliche Bewertung des GdB i. S. des § 136 SGB IX. Es ist aber unter Berücksichtigung der Kriterien der „GdB/MdE-Tabelle“ in aller Regel davon auszugehen, daß sie schwerbehindert sind. Grundsätzlich haben sie also einen Anspruch auf Zusatzurlaub. Um diesen geltend zu machen, sieht der Gesetzgeber vor, daß die Schwerbehinderung durch einen Nachweis belegt wird. „Allein durch die Beschäftigung in einer Werkstatt kann der Anspruch auf den Zusatzurlaub nicht begründet werden. Die Eigenschaft als schwerbehinderte Menschen ist ausdrücklich keine Aufnahmevoraussetzung in eine Werkstatt, die Definition der Werkstatt in § 136 SGB IX spricht deshalb auch nicht von ‚schwerbehinderten’, sondern von ‚behinderten’ Menschen“, so das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung im Februar 2003.
Diese Auffassung wird von der BAG WfbM nicht geteilt. Zwar sind nicht alle Werkstattbeschäftigten schwerbehindert. Viele von ihnen wollen jedoch keinen Schwerbehindertenausweis, auch wenn sie einen Anspruch darauf hätten, weil sie eine Stigmatisierung fürchten. Deshalb muß auch ihnen aufgrund ihrer Behinderung der Zusatzurlaub gewährt werden können. Der Zusatzurlaub sollte an den Personenkreis nach § 136 Abs. 1 gebunden werden: an Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können.
Bis dahin ist die Gestaltung der Werkstattverträge entscheidend. Werden dort keine differenzierten Angaben zum Urlaub getroffen oder ein Bezug zum Bundesurlaubsgesetz hergestellt, erhalten die Werkstattbeschäftigten nur die dort vorgesehenen Tage. Beschäftigte mit einem Schwerbehindertenausweis haben nach § 125 SGB IX entsprechend fünf Urlaubstage mehr.
In jedem Fall ist es angemessen, zumindest die Regelungen zu übernehmen, die für die nichtbehinderten Beschäftigten der Werkstatt gelten (Tarifvertrag, AVR o. ä.). Das gebieten schon das Diskriminierungsverbot und der Gleichstellungsgrundsatz nach § 3 GG. Oder es wird festgelegt, daß alle Werkstattbeschäftigten 30 Tage Urlaub erhalten. Diese Regelung gilt dann auch für Beschäftigte, die keinen Schwerbehindertenausweis haben. Dennoch bleibt auch hier der Anspruch auf Zusatzurlaub bei Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft bestehen; das hat jüngst ein Urteil bestätigt (LArbG Berlin-Brandenburg 5. Kammer vom 22.02.2007 Az: 5 Sa 1861/06).
Von der Gestaltung der Werkstattverträge und den darin getroffenen Vereinbarungen sind nach § 13 Werkstättenverordnung die Rehabilitationsträger zu unterrichten. Dieser sollte im Vorfeld von der Vertragsgestaltung in Kenntnis gesetzt werden. Zwar ist eine solche Vereinbarung ohne Zustimmung des Kostenträgers nicht unwirksam, sie darf aber auch nicht zu dessen Lasten wirken. Sind die Verträge in der beschriebenen Weise abgefaßt, sind sie auch für die Rehabilitationsträger bindend.
Die BAG WfbM bleibt bei ihrer Auffassung, daß es für den Anspruch auf Zusatzurlaub keines Schwerbehindertenausweises bedarf. Sie ist bereit, nach Absprache rechtlichen Beistand zu leisten, wenn die Klarstellung dieses Sachverhaltes über den Rechtsweg erfolgen soll.
Im Zusammenhang damit ist auf folgendes neues Urteil hinzuweisen:
Schwerbehinderte Menschen, die in einer Fünf-Tage-Woche arbeiten, haben Anspruch auf einen bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr. Dabei ist es unerheblich, ob der arbeitsvertraglich vereinbarte Urlaub über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.10.2006 – 9 AZR 669/05
Sachverhalt und Entscheidungsgründe:
Im vorliegenden Fall klagte ein schwerbehinderter Arbeitnehmer auf Gewährung von fünf Urlaubstagen zusätzlich zu dem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Urlaub von 29 Tagen. Der Arbeitgeber war der Auffassung, daß der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nur den gesetzlichen Mindesturlaub im Sinne von § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) erhöhe, der 24 Arbeitstage in der Sechs-Tage-Woche oder 20 Arbeitstage in der Fünf-Tage-Woche beträgt. Mit dieser Auffassung konnte sich der Arbeitgeber – wie bereits in den Vorinstanzen – nicht durchsetzen. Die Klage des schwerbehinderten Arbeitnehmers war auch vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) erfolgreich.
In seiner Begründung führte der Neunte Senat unter anderem aus, daß nach § 125 SGB IX schwerbehinderte Menschen einen Anspruch auf zusätzliche fünf Urlaubstage im Urlaubsjahr haben, wenn sie in der Fünf-Tage-Woche arbeiten. Der Wortlaut der Vorschrift bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Regelung sich auf den gesetzlich normierten Mindesturlaub beziehe. Der Senat führte weiter aus, daß die Neuregelung im SGB IX einer langen Gesetzestradition folge. Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken, daß schwerbehinderte Menschen stärker belastet sind und deshalb eine längere Zeit benötigen, um sich von der Arbeit zu erholen. Daher ist der Urlaub, den der schwerbehinderte Beschäftigte ohne seine Behinderung beanspruchen könnte, nach § 125 Abs. 1 SGB IX um fünf Arbeitstage aufzustocken. Quelle: Zeitschrift ZB Behinderte Menschen im Beruf, März 2007