Zur Vergabe von Räumen für eine Schilderprägewerkstatt hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 07.11.2006 ein weiteres Urteil gefällt (Az.: KZR 2/06). Daraus ergibt sich für die Kommunen die Möglichkeit, die Belange behinderter Menschen bei Ausschreibungen solcher Räume bei den Kfz-Zulassungsstellen angemessen zu berücksichtigen.
Dazu eine Einschätzung von Ursula Schulz, Landesverband der Lebenshilfe, Bayern:
In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Stadt Kassel einen Raum für eine Schilderprägewerkstatt neben der Kfz-Zulassungsstelle ohne vorherige Ausschreibung an eine Einrichtung für behinderte Menschen vermieten kann. Klägerin war ein bundesweit tätiges Unternehmen der Schilderprägebranche.
Der BGH bestätigte das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 29.11.2005, in dem es der Stadt untersagt wurde, den Raum ohne vorherige Ausschreibung über den 31.12.2007 hinaus zu überlassen oder zu vermieten. Allerdings enthält die Entscheidungsbegründung einige Aspekte, die geeignet sind, Ausschreibungen so zu gestalten, daß eine Verbesserung der Chancen für Werkstätten möglich ist.
Laut BGH ist eine Vermietung ohne vorherige Ausschreibung ein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 GWB. Deshalb sah das Gericht einen Unterlassungsanspruch nach § 33 Abs. 1 GWB. Der BGH erkannte aber an, daß die Stadt Kassel bei der Vermietung auch Belange des Gemeinwohls berücksichtigen kann. Eine Bevorzugung von Anbietern, die in erster Linie schwer zu vermittelnde Personen beschäftigen, ist möglich. Allerdings müssen die Mittel der Bevorzugung mit der Freiheit des Wettbewerbs vereinbar sein: „Die dem Gemeinwohl geschuldeten Voraussetzungen, die ein Mieter der fraglichen Gewerbeflächen erfüllen soll, müssen daher auch von anderen Interessenten erfüllt werden können und im Rahmen einer Ausschreibung offengelegt werden. Beispielsweise wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn die Beklagte bereits in der Ausschreibung darauf hinweisen würde, daß sie Interessenten in einem im Einzelnen darzulegenden Umfang bevorzugt, die sich verpflichten, in dem Schilderprägebetrieb verstärkt behinderte Menschen zu beschäftigen“.
Diese Formulierung eröffnet den ausschreibenden Kommunen einen weiten Spielraum. Trotzdem macht, laut BGH, eine Bevorzugung von anerkannten Werkstätten bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nach § 141 SGB IX eine Ausschreibung nicht überflüssig. Höhere Preise der Werkstätten (bis ca. 15 %) können aber gegebenenfalls zugunsten der Werkstatt berücksichtigt werden.
Das Urteil des BGH eröffnet den Kommunen die Möglichkeit, ihre Ausschreibungen so zu gestalten, daß eine rechtmäßige bevorzugte Vergabe an Unternehmer, die behinderte Menschen beschäftigen, möglich ist. Hier bietet sich die beschränkte Ausschreibung an. Der BGH räumt diese Möglichkeit ein, so daß die völlig offene öffentliche Ausschreibung der Räumlichkeiten bei Kfz-Zulassungsstellen nicht unbedingt notwendig erscheint.
Das Urteil finden Sie: >> hier