„Das Recht auf soziale Sicherheit gehört seit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Jahre 1948 zum festen Bestandteil des Menschenrechtskatalogs. Dennoch wird es heute auf der ganzen Welt täglich verletzt“, erklärte Roberto Bissio (Montevideo), Direktor des internationalen Netzwerkes Social Watch, gestern bei der Vorstellung des Social Watch Report 2007.
Für Bissio ist eine der Hauptursachen dieser Menschenrechtsverletzungen das globale „Wettrennen nach unten“, bei dem „Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für transnationale Unternehmen gekürzt werden, um Investitionen ins Land zu holen“. Steuerparadiese und Offshore-Bankinstitute, die zur Steuerhinterziehung verleiten, sind mitverantwortlich dafür, daß Staaten nicht genügend Geld für Maßnahmen zur Verwirklichung des Rechtes auf Sicherheit hätten, betonte Bissio unter Berufung auf den diesjährigen Social Watch Report.
Der Bericht zeigt auf, wie wirtschaftliche Strukturen und Entwicklungen das Recht auf Sicherheit bedrohen. Hierzu gehört die globale Tendenz, Umlagesysteme zur Altersversicherung durch kapitalgedeckte Systeme mit Hilfe privatwirtschaftlicher Rentenversicherer zu ersetzen. „Die Politik der Rentenversicherungen bedroht immer stärker eine Verwirklichung des Rechtes auf soziale Sicherheit. Längst sind sie zu mächtigen Investmentfonds aufgestiegen, die kein Risiko scheuen. Ihr Einstieg bei Hedge- und Private-Equity-Fonds ist angesichts der überaus riskanten Kreditaufnahmepolitik dieser Fonds ein gefährliches Spiel mit dem Geld von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die auf die Rentenversicherungen angewiesen sind“, stellte Klaus Heidel (Heidelberg) fest, der Sprecher von Social Watch Deutschland/Forum Weltsozialgipfel ist.
Auch in Deutschland werde das Recht auf soziale Sicherheit für ältere Menschen zunehmend unterlaufen. „Die gesetzliche Erhöhung des Rentenalters und die Rentenkürzungen treffen Geringqualifizierte, Geringbeschäftigte und Erwerbslose am stärksten. Die Rente ist nicht nur nicht sicher, sie wird immer unsicherer. Dies wird verstärkt durch das mit der Riesterrente eingeführte Kapitaldeckungsprinzip, das de facto den Einstieg ins Pensionsfondsgeschäft bedeutet und die Alterversorgung der Logik und den Risiken der Finanzmärkte überläßt“, stellte Dr. Christa Wichterich (Bonn) von der Frauennetzwerkstelle WOMNET fest und fordert: „Neue Konzepte müssen her, um das Recht auf soziale Sicherheit zu gewährleisten.“
Der vom globalen Social Watch Netzwerk herausgegebene internationale Social Watch Report und dessen deutsche Ausgabe werden in diesem Jahr erstmals gemeinsam vorgestellt. Der internationale Bericht erscheint seit 1997, der Social Watch Deutschland Report seit 2001. Beide Berichte beschäftigen sich unter dem Thema „Würde und Menschenrechte wahren“ mit dem „Recht auf soziale Sicherheit für alle“.
Das im Januar 1994 gegründete "Deutsche NRO-Forum Weltsozialgipfel" – heute: "Social Watch Deutschland" – ist eine breite nationale Koalition von maßgeblichen Nichtregierungsorganisationen aus den Bereichen der nationalen Sozialpolitik und der Entwicklungspolitik. Sie tritt ein für soziale Gerechtigkeit und soziale Entwicklung sowohl in Deutschland als auch international, insbesondere in der Dritten Welt. Als vorrangige Aktionsfelder gelten dabei die Bekämpfung von Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung. Ausgangspunkt soll der Grundsatz sein, daß der Mensch im Mittelpunkt aller Entwicklungsbemühungen stehen und die Wirtschaft seinen Bedürfnissen dienen muß.
Das Forum Weltsozialgipfel war intensiv an den Vorbereitungsarbeiten zum Weltgipfel der Vereinten Nationen für soziale Entwicklung in Kopenhagen im März 1995, am Gipfel selbst sowie an den Folgekonferenzen beteiligt und hat den bisherigen Prozeß der Umsetzung der Ergebnisse der Kopenhagen-Konferenz aktiv begleitet. Ziel des UN-Welt-Sozialgipfels war es, nach Ende des Kalten Krieges die "soziale Bombe zu entschärfen". Die verantwortlichen Politiker aus den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben sich dabei verpflichtet, sowohl in den Industriestaaten als auch in den so genannten Entwicklungsländern die wirtschaftlichen, kulturellen, rechtlichen und politischen Bedingungen so zu gestalten, daß Armut überwunden, nachhaltige Entwicklung gefördert und soziale Sicherheit für alle Menschen ermöglicht wird. Als vorrangige Aktionsfelder gelten dabei die Bekämpfung von Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung. Ausgangspunkt soll der Grundsatz sein, daß der Mensch im Mittelpunkt aller Entwicklungsbemühungen stehen und die Wirtschaft seinen Bedürfnissen dienen muß.
Die in Social Watch Deutschland zusammenarbeitenden Nichtregierungsorganisationen sind davon überzeugt, daß die Ziele des Weltsozialgipfels und der im Jahr 2000 formulierten Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) nicht allein durch Erklärungen von Regierungen erreicht werden können. Notwendig ist vielmehr eine breite zivilgesellschaftliche Beteiligung an der Konzeption von Politiken und Strategien, an deren effektiver Umsetzung sowie an der Evaluierung ihrer Wirksamkeit und Kosten – und dies nicht zuletzt deshalb, weil die meisten Regierungen die Beschlüsse des Weltsozialgipfels und die damit eingegangenen Selbstverpflichtungen nur zögerlich umsetzen oder gar konterkarieren. Mitglieder sind u. a. die Arbeiterwohlfahrt , Brot für die Welt, der Diakonische Werk der EKD oder auch die Friedrich-Ebert-Stiftung und terre des hommes Deutschland.