„Essen“. Wie sag ich’s meinem Mitmenschen? Die Übersetzung schwer verdaulicher Sprache ist ein Dauerthema. Haben die Leser ein Recht auf Verständlichkeit? „Rauhfutterverzehrende Großvieheinheit“. Man könnte auch Kuh sagen. Das wäre einfacher. Und jeder wüßte, was gemeint ist. Trotzdem benutzen viele immer wieder Begriffe, die man nicht versteht. Und wenn dann ein Brief kommt, verstehen viele Menschen nur Bahnhof.
„Es kann nicht sein, daß man sich einen Anwalt nehmen muß, um Texte zu verstehen“, findet Dr. Karin M. Eichhoff-Cyrus von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). „Das ist eine Frage von Demokratieverständnis.“ Darum organisiert die GfdS gemeinsam mit dem Germanistischen Institut der Martin-Luther-Universität am 1. und 2. November ein Symposium zur Recht- und Verwaltungssprache. „Uns freut, daß dieses Thema viele Köpfe beschäftigt“, betont Dr. Eichhoff-Cyrus. „Schließlich muß man Gesetze verstehen, um sich daran halten zu können.“
Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat daher ein Büro im Bundestag. Dort werden Gesetzestexte vor der Verabschiedung bearbeitet, um sie für die Bürger verständlich zu machen. „Besonders wichtig ist das bei Themen, die die Menschen unmittelbar betreffen. Hartz IV, Sozial- oder Steuerrecht“, erklärt Dr. Eichhoff-Cyrus. Aber warum heißt der Baum „raumübergreifendes Großgrün“, wenn er doch ein Baum ist? Warum werden Bürger mit Wort-Monstern wie „Grunddienstbarkeitsbewilligungerklärung“ überfordert?
Ständiger Spagat
„In den Texten werden oft juristische Sachverhalte behandelt“, betont Ludger Harmeier, Sprecher des NRW-Innenministeriums. „Und Verwaltungssprache ist eine Fachsprache. Aber wir arbeiten ständig daran, unsere Texte verständlich auszudrücken. Mitarbeiter werden geschult, es gibt Seminare und Broschüren. Das ist ein permanenter Prozeß.“
Auch für Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg, ist Amtsdeutsch ein Dauerthema. „So eindeutig wie nötig, so verständlich wie möglich“, lautet seine Devise. „Wir befinden uns ständig im Spagat. Schließlich soll der Text verständlich, aber immer noch korrekt sein.“
Das Germanistische Institut der Ruhr-Universität in Bochum geht weiter und betreut Städte, Kreise und Gemeinden im Internet-Dienst für eine moderne Amtssprache (IDEMA) . Teilnehmende Verwaltungen können auf eine Online-Datenbank zugreifen, in der Begriffe und Alternativen sowie verschiedene Beispiele eingestellt sind. Die Sprachprofis des IDEMA-Projekts bieten für besonders eilige Fälle außerdem eine Hotline an. Aus NRW nehmen Bochen, Detmold, Rheda-Wiedenbrück, Siegburg, der Kreis Soest, Wesel, Wiehl, Witten und Wuppertal teil.
Vielleicht heißt das „raumübergreifende Großgrün“ dann bald auch im Behörden-Dschungel nur noch Baum.
Quelle: www.derwesten.de 01.11.2007, Annika Rinsche