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Fachausschuss sieht weiteren Handlungsbedarf bei der Umsetzung der UN-BRK in Deutschland
Am 29. und 30. August 2023 hat der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Fachausschuss) die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland überprüft. Das Gremium kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschland viele Vorgaben der UN-BRK noch nicht erfüllt. Insbesondere das Fortbestehen von segregierenden Strukturen in den Bereichen Bildung, Wohnen und Arbeit wurde deutlich kritisiert.

Der UN-Fachausschuss forderte Deutschland auf, den Paradigmenwechsel hin zu einem menschenrechtlichen Verständnis von Inklusion weiter zu vollziehen. Die Selbstbestimmungsrechte von Menschen mit Behinderungen sieht der Ausschuss als nur teilweise verwirklicht an. Ein echtes Wunsch- und Wahlrecht sei nicht immer gegeben. In der Praxis hätten Menschen mit Behinderungen in vielen Bereichen nur eingeschränkte Möglichkeiten der selbstbestimmten Teilhabe, da häufig Alternativen nicht gegeben seien, bilanzieren die UN-Vertreter*innen.

Im Rahmen der Staatenprüfung wurde insbesondere zu den Themen Deinstitutionalisierung, Gewaltschutz, inklusive Bildung und Barrierefreiheit vom Ausschuss nachgefragt. Hier sieht der UN-Fachausschuss bei der Umsetzung der UN-BRK in Deutschland die größten Defizite.

Zugänge zu Werkstätten sollen verringert werden
Der UN-Fachausschuss hat sich bei der Staatenprüfung aber auch mit Werkstätten für behinderte Menschen in Deutschland befasst. Nach Ansicht des Ausschusses ist das System der Werkstätten, wie bereits bei der ersten Staatenberichtsprüfung kritisiert, nicht mit der UN-BRK vereinbar. Vor allem eine geringe Zahl von Übergängen aus den Werkstätten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt monieren die Mitglieder des UN-Ausschusses. Sie fordern Deutschland auf, den Übergang aus Förderschulen in Werkstätten, der von vielen als vorgezeichneter Weg empfunden wird, aufzubrechen.

Für Menschen mit Behinderungen, soll das „Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird“ aus Artikel 27 der UN-BRK umgesetzt werden.

Mit Blick auf diese Kritik verwies die Delegation der Bundesrepublik Deutschland, geleitet von Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, bei der Staatenprüfung unter anderem auf das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts und die damit verbundene Einführung der vierten Stufe der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber*innen, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigten. Zudem machte die Delegation auf die „Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“ aufmerksam. Vom Abschlussbericht der Studie erwartet sich die Bundesregierung zentrale Erkenntnisse, wie das System der Werkstätten in Zukunft ausgestaltet werden kann. Ein Beteiligungsverfahren zur Diskussion der Studienergebnisse soll noch im September 2023 beginnen.

Werkstätten sind bereit zum Wandel
Die zweite Staatenprüfung Deutschlands durch den UN-Fachausschuss zeigt, dass die Umsetzung der UN-BRK noch ein weiter Weg ist. Für Werkstätten für behinderte Menschen sind die Anmerkungen des UN-Fachausschuss eine wichtige Maßgabe für die Weiterentwicklung. Gleichzeitig darf aber nicht vernachlässigt werden, dass Werkstätten sich bereits in einem umfassenden Prozess des Wandels befinden.

Um Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt auszubauen, sind aber nicht nur die Werkstätten gefragt, sondern auch die Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes, die ihre Bereitschaft, Menschen mit Behinderungen einzustellen, erhöhen müssen. Wie im Rahmen der Staatenprüfung durch den UN-Fachausschuss ebenfalls deutlich wurde, ist es von zentraler Bedeutung, dass Menschen mit Behinderungen anerkannte Bildungsabschlüsse erwerben können. Nur so kann eine echte Wahlfreiheit mit Blick auf die Teilhabe am Arbeitsleben entstehen. Seit mehreren Jahren fordert die BAG WfbM anerkannte (Teil-) Qualifikationen und Abschlüsse für Werkstattbeschäftigte sowie ein bundesweites Zertifikatswesen für Absolvent*innen des Berufsbildungsbereichs einer Werkstatt, um der Zielsetzung eines inklusiven Ausbildungs- und Arbeitsmarkts im Sinne der UN-BRK zu entsprechen.

Das Ergebnis der Staatenprüfung wird der UN-Fachausschuss voraussichtlich Mitte September 2023 als sogenannte Abschließende Bemerkungen veröffentlichen. Diese setzen wichtige inhaltliche Impulse für die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland, sind rechtlich jedoch nicht bindend. Bis zu einer nächsten Prüfung Deutschlands durch die Vereinten Nationen können mehrere Jahre vergehen.

Mitschnitte der Sitzungen des UN-Fachausschusses stehen für den 29. August 2023 unter https://media.un.org/en/asset/k1a/k1aee33qdr externer Linkund für den 30. August 2023 unter https://media.un.org/en/asset/k1a/k1athepunl externer Link zur Verfügung.


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