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Studie zur Reform des Entgeltsystems in Werkstätten: Abschlussbericht liegt vor
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im August 2020 eine Arbeitsgemeinschaft aus ISG - Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH und infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH in Kooperation mit Prof. Dr. Felix Welti und Prof. Dr. Arnold Pracht mit dem Forschungsvorhaben „Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“ beauftragt.

Zu diesem Forschungsvorhaben liegt nun der Abschlussbericht vor. Er kann auf der BMAS-Webseite externer Linkheruntergeladen werden.

Der knapp 300 Seiten umfassende Bericht greift große Teile der bereits veröffentlichten Zwischenberichte auf, in denen der Schwerpunkt auf der Auswertung der Befragung von Werkstattleitungen und der Befragung von Werkstattbeschäftigten lag. Zudem werden Berechnungen zur Einkommenssituation von Werkstattbeschäftigten und darüber hinaus die Ergebnisse der Befragung ehemaliger Werkstattbeschäftigter und eine Vertiefungsstudie mit acht ausgewählten Werkstätten dargestellt.

Die statistischen Auswertungen des Abschlussberichtes zeigen, dass eine große Mehrheit der Werkstattbeschäftigten mit ihrer Tätigkeit insgesamt zufrieden ist. Zugleich sind zwei Drittel der befragten Beschäftigten unzufrieden mit der Entgeltsituation. Die Analysen im Rahmen der Studie haben ergeben, dass die Quote der Übergänge von Werkstätten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt aktuell bei 0,35 Prozent liegt.

Inhaltlich besonders relevant sind die Kapitel 5 (Ergebnisse der rechtswissenschaftlichen Analyse), Kapitel 6 (Alternative Entgeltsysteme) und Kapitel 7 (Handlungsempfehlungen) des nun veröffentlichten Abschlussberichtes.
  • Die rechtliche Analyse der Forschenden kommt zu dem Fazit, dass bereits heute das Mindestlohngesetz grundsätzlich Anwendung auf die Beschäftigungsverhältnisse in Werkstätten finden müsse. Die Geltung des Mindestlohns sollte als Regelfall vorgesehen werden. Ausnahmen, in denen die Rehabilitation im Vordergrund steht, seien denkbar, heißt es im Bericht. Das Ziel eines mindestens existenzsichernden Niveaus des Werkstattentgeltes bei gleichzeitigem Spielraum für leistungsbasierte Differenzierung sei durch ein steuersubventioniertes Mindestlohnmodell gut erreichbar. Begründet wird dies vor allem damit, dass das jetzige Entgeltsystem gegen Artikel 5 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) verstoße. Art. 5 UN-BRK regelt das Gebot von Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG schreibt vor, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf.
  • Der Abschlussbericht kommt zudem zu der Schlussfolgerung, dass eine Neuregelung des Entgeltsystems in Werkstätten nicht zwingend dazu führen muss, dass Nachteilsausgleiche wie die Rentenregelung entfallen. Eine Besserstellung von Menschen mit Behinderungen sei weiterhin denkbar, dürfe aber nicht an den Arbeitsort gekoppelt sein.
Schließlich werden im Abschlussbericht Handlungsempfehlungen abgeleitet, um künftig mehr Übergänge aus Werkstätten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Besonders erwähnt werden dabei
  • die mögliche rechtliche und organisatorische Ausgliederung des Berufsbildungsbereichs aus der Werkstatt,
  • die Modularisierung und Flexibilisierung von anerkannten Ausbildungsgängen,
  • die Förderung und ggf. zeitliche Befristung von ausgelagerten Arbeitsplätzen mit dem Ziel der Umwandlung in ein Budget für Arbeit,
  • die Ausweitung und Förderung von Inklusionsbetrieben sowie
  • die Implementierung von Kooperationsmodellen.
Die Förderung von Übergängen durch die Werkstatt müsse in Form eines Übergangsmanagements strukturell verankert und finanziell unterstützt werden, heißt es im Abschlussbericht.

Die BAG WfbM fordert seit mehreren Jahren eine Verbesserung der Einkommenssituation der Werkstattbeschäftigten. Die derzeitige Gestaltung des gesetzlichen Systems ermöglicht es nicht, dass Werkstätten ohne Gesetzesänderungen und weitere staatliche Unterstützungen die Einkommenssituation der Werkstattbeschäftigten umfassend verbessern können.

Auch das Forschungsvorhaben des BMAS hat nun festgestellt, dass eine Neugestaltung des Entgeltsystems nicht isoliert betrachtet werden kann. Vielmehr muss es weiterführende Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen der Werkstattleistungen geben.

Die BAG WfbM und ihre Mitglieder stehen Veränderungen offen gegenüber und werden den strukturellen Wandel mitgestalten.

Werkstätten für behinderte Menschen erbringen ihre Leistungen in einem dynamischen Umfeld. Sie befassen sich proaktiv mit den aktuellen Entwicklungen der Arbeitswelt und verwirklichen Strategien, um ihre Leistungen zukunftsorientiert anzupassen. Werkstätten verstehen sich nicht nur als ein Ort bzw. ein Gebäude, sondern auch als Unterstützer in der Arbeitswelt.

Die spürbare Verbesserung der Einkommenssituation aller Werkstattbeschäftigten muss unabhängig von weiteren Reformen weiterhin die oberste Zielsetzung bleiben.

Die BAG WfbM wird sich zur Zukunft der Werkstattleistung positionieren und befindet sich in einem konstruktiven Dialog mit dem BMAS.


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