Politik 09.01.08
Ein Jahr Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Seit einem Jahr ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Wie es sich zeigt, ist kaum jemand wirklich zufrieden mit dem AGG. Den Arbeitgebern geht es zu weit, den Betroffenen nicht weit genug. Zudem herrscht nach wie vor Unklarheit darüber, inwieweit es in Werkstätten als Beschäftigungsstätte behinderter (Beschäftigte) und nichtbehinderter Menschen (Mitarbeiter) gilt. Zweifelsfrei hat es Auswirkungen auf die Werkstätten, wenn diese Arbeitgeber ist, und für Integrationsprojekte.

Für die Teilnehmer im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich leitet Satz 3 des § 36 SGB IX die gleichen Rechte ab, wie für die Beschäftigten im Arbeitsbereich: „Bei der Ausführung werden die arbeitsrechtlichen Grundsätze über den Persönlichkeitsschutz, die Haftungsbeschränkung sowie die gesetzlichen Vorschriften über den Arbeitsschutz und den Schutz vor Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf entsprechend angewendet.“

Für Beschäftigte im Arbeitsbereich gilt das AGG unmittelbar im Rahmen ihres arbeitnehmerähnlichen Rechtsstatus. Aus dem Sozialleistungsverhältnis ergibt sich nichts Abweichendes, auch nicht unter Geltung der europäischen Richtlinien. Da es zu den Aufgaben der Werkstätten gehört, den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern, fallen sie unter den Anwendungsbereich der Europäischen Richtlinie zum Begriff der Behinderung. Sie gilt für „alle Personen in Bezug auf den Zugang zu allen Formen und Ebenen der Berufsberatung und Berufsausbildung, Weiterbildung oder Umschulung, einschließlich der praktischen Berufserfahrung“ (Art. 3 Abs. 1 lit. b RL 2000/78/EG). Zumindest der Begriff „praktische Berufserfahrung“ schließt die Werkstätten ein. Die Begrenzung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, einschließlich Leistungen in Werkstätten, auf Personen unter der Regelaltersgrenze ist danach pauschal nicht mehr zulässig.

Irreführend ist eine Aussage in der Bundestagsdrucksache 16/1780: „Für Menschen, denen auf Grund des SGB IX eine arbeitnehmerähnliche Stellung zukommt, insbesondere die in Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten und Rehabilitanden, finden die Regelungen dieses Gesetzes entsprechende Anwendung.“ Das AGG spricht nämlich in § 6 von Beschäftigten im Sinne des AGG und versteht darunter:
  1. Arbeitnehmer,
  2. die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
  3. Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind (dazu gehören auch in Heimarbeit Beschäftigte und ihnen gleichgestellte).
Zu den hier genannten „arbeitnehmerähnlichen Personen“ gehören die Werkstattbeschäftigten jedoch nicht! Sie stehen zwar in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis zur Werkstatt. Eine Gleichstellung der Beschäftigten im Arbeitsbereich mit den arbeitnehmerähnlichen Personen i. S. d. § 5 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) und § 12a Tarifvertragsgesetz (TVG) ist vom Gesetzgeber aber nicht gewollt. Dazu unterscheiden sich die beiden Personengruppen zu stark.

Als arbeitnehmerähnliche Person gilt, wer wie ein Arbeitnehmer wirtschaftlich, aber aufgrund fehlender Eingliederung in die betriebliche Organisation nicht persönlich von einem Auftraggeber abhängig ist. Arbeitnehmerähnliche Personen sind steuerrechtlich selbständige Unternehmer.

Da das AGG auch in Werkstätten gilt, müssen diese: eine Beschwerdestelle einrichten (§ 13 AGG); die Beschäftigten durch Aushang, Auslegen oder andere Kommunikationstechniken über das AGG, § 61 b ArbGG und die Beschwerdestelle informieren (§ 12 Abs. 5 AGG); erforderliche und vorbeugende Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen ergreifen (§ 12 Abs. 1 AGG). Werden die Beschäftigten in geeigneter Weise geschult, gelten diese Pflichten als erfüllt. Werkstätten müssen zudem auf die Unzulässigkeit von Benachteiligungen hinweisen und verhindern, daß es zu solchen kommt (§ 12 Abs. 2 AGG).

Bei Benachteiligungen durch andere Beschäftigte oder Dritte müssen im Einzelfall geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen ergriffen werden (§ 12Abs. 3 und 4 AGG), z. B. Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung. Für die Beschäftigten müssen analoge und pädagogisch vertretbare Maßnahmen gefunden werden.

Die Beschäftigten im Arbeitsbereich haben laut AGG folgende Rechte:
  • das Beschwerderecht bei Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot (§ 13),
  • das Recht, die Leistung zu verweigern, wenn keine Maßnahmen zur Verhinderung von (insbesondere sexuellen) Belästigungen erfolgen – ohne Verlust oder Verringerung des Arbeitsentgelts (§ 14),
  • Anspruch auf Schadensersatz (auch wenn kein Vermögensschaden vorliegt).
Nimmt ein Beschäftigter diese Rechte in Anspruch, darf er dafür nicht gemaßregelt werden (§ 15). Zudem liegt die Beweislast für eine Diskriminierung nicht beim Geschädigten. Vielmehr muß die andere Partei darlegen, daß es keinen Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung gegeben hat.


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