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Bildungsfähig? Werkstattfähig!
Die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Bildung für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf ist leider eher die Ausnahme denn die Regel. Häufig erfolgt nach der Schule der Übergang in eine Form der Tagesförderung. Problematisch ist dabei nicht nur, daß es für die Tagesförderung weder einheitliche Standards noch einen deutlichen Rechtsanspruch gibt. Auch die Soll-Vorschrift des § 136 Abs. 3 SGB IX externer Link wird regional unterschiedlich interpretiert.

Deswegen bildete sich im Jahre 2006 ein verbände- und bundesländerübergreifender Arbeitskreis. Dieser hat das Ziel, Inhalte und Methoden der beruflichen Bildung für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf auf der praktischen Ebene zusammenzufassen und weiterzuentwickeln. Ausgehend von den Erfahrungen von „aktionbildung“ soll dieses Thema eine breitere Plattform erhalten. Es sollen Standards formuliert werden, die schwerst- und mehrfachbehinderten Menschen die Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Bildung ermöglichen. Die Praxis zeigt, daß es mit angemessenen Methoden sehr wohl möglich ist, auch diesen Menschen berufliche Bildung zu ermöglichen.

Der gesetzliche Rahmen ist dabei eindeutig:

„Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1 unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, daß sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden.“ § 136 Abs. 2 SGB IX externer Link macht deutlich: Jeder behinderte Mensch ist beschulbar und damit bildungsfähig. So besteht auch ein Anspruch auf die Teilnahme am Eingangsverfahren und in der Regel auf Maßnahmen der beruflichen Bildung. Im weiteren nennt dieser Absatz drei Gründe, warum eine Person nicht in eine Werkstatt aufgenommen werden kann, nämlich, wenn trotz einer der Behinderung angemessenen Betreuung eine erhebliche Fremd- oder Selbstgefährdung zu erwarten ist; das Ausmaß der erforderlichen Pflege und Betreuung die Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich nicht zuläßt; sonstige Umstände dazu führen, daß ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeit im Arbeitsbereich dauerhaft nicht zulassen.

Dabei muß das – in der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts in den 1980er Jahren bewußt niedrig angelegte – Mindestmaß der wirtschaftlich verwertbaren Arbeitsleistung erst nach Maßnahmen der beruflichen Bildung erreicht werden – nicht im Vorfeld.

Interessant ist, daß der in der § 9 Werkstättenverordnung (WVO) externer Link benannte Personalschlüssel von 1:6 in der Praxis vielfach vorentscheidenden Charakter erhält. Häufig wird argumentiert, beruflich bildbar in der Werkstatt sei nur, wer mit diesem Schlüssel betreut werden kann. Dies würde eine Vielzahl schwerer behinderter Menschen ausschließen. Tatsächlich ist dieser Personalschlüssel für den Regelfall anzunehmen. Abweichungen sind zulässig und im Rahmen einer Individualisierung der Betreuungsangebote auch geboten.

Daß während der Beschäftigungszeit auch Pflegeleistungen notwendig sind, ist kein Kriterium für den Ausschluß der Teilnahme an einer berufsbildenden Maßnahme. Die Vorschriften des § 137 Absatz 1 Ziffer 3 externer Link und auch die Regelung in § 10 Absatz 2 WVO externer Link machen deutlich, daß auch pflegerische Aufgaben durch die Werkstatt sicherzustellen sind.

Die gesetzlichen Möglichkeiten bieten den erforderlichen Rahmen. Die Umsetzung erfordert neben der fachlichen Qualifizierung der Mitarbeiter vor allem ein klares Bekenntnis der Werkstätten und ihrer Verantwortlichen dazu, auch diesen Personenkreis im Blickfeld zu haben. Auch für die öffentliche Darstellung der Werkstätten und ihrer Leistungsfähigkeit ist es von Vorteil, wenn dieser Personenkreis eine selbstverständliche Einbeziehung erfährt. Die Integration in das Arbeitsleben und die berufliche Bildung von Menschen mit schweren und schwersten Behinderungen findet nirgendwo in Europa in vergleichbarer Form statt. Sie ist ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Werkstätten.


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