Die EU-Kommission fordert Zeitungsberichten zufolge, die Mehrwertsteuer auf zahlreiche Produkte und Dienstleistungen zu senken, darunter Strom, Gas und das Bauen und Renovieren von Häusern. Damit sollen die Verbraucher entlastet und die Beschäftigung in der Handwerksbranche gefördert werden. Das sieht ein Richtlinienvorschlag vor, den EU-Steuerkommissar László Kovács an diesem Montag in Brüssel vorlegen will.
Der Vorschlag erweitert die Liste der Güter und Dienste, auf die schon bisher reduzierte Sätze angewandt werden können, deutlich. Grundsätzlich gilt in der EU ein einheitlicher Mindestsatz von 15 Prozent, die Mitgliedstaaten können aber auf bestimmte Produkte, die für besonders förderungswürdig gehalten werden, reduzierte Sätze erheben.
Auch für Arzneimittel, medizinische Behandlungen, Garten- und Landschaftsbau, Beerdigungs- und Friseurdienste, Wäschereien, Müllabfuhr, Essen und Trinken im Restaurant außer alkoholischen Getränken, CD-Hörbücher, Windeln, Antibaby-Pillen und Kindersitze will die EU den Berichten zufolge einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz. "Die Vorschläge würden in Deutschland zu deutlichen Steuerentlastungen für die Verbraucher führen", hieß es in einem Bericht.
Die Mitgliedstaaten müssen dem Gesetzentwurf noch zustimmen.
Mit dem Vorschlag, der teilweise deutlich von ihren eigenen früheren Vorstellungen abweicht, erfüllt die Europäische Kommission zugleich rechtzeitig zum Beginn der französischen EU-Ratspräsidentschaft eine alte Forderung der Regierung in Paris. Diese hatte sich viele Jahre lang vor allem dafür eingesetzt, die einheimische Gastronomie mit reduzierten Sätzen besteuern zu dürfen. Diese Forderung war bisher von den EU-Finanzministern immer abgelehnt worden; auch die Kommission hatte sie nicht unterstützt. Auf der neuen Vorschlagsliste des EU-Steuerkommissars sind nun auch Restaurantdienstleistungen enthalten.
Die Bundesregierung hat bereits Widerstand gegen Kovács’ Pläne angekündigt. Beim Treffen der EU-Finanzminister im Mai habe Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) eine Grundsatzdebatte zum Sinn verringerter Sätze gefordert. Für eine Änderung der derzeit gültigen Regelung ist im EU-Ministerrat Einstimmigkeit erforderlich, Deutschland hat de facto also ein Vetorecht.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso betrachtet den Vorschlag als weiteren Baustein des kürzlich vorgestellten „Small Business Act“ zur Förderung des Mittelstands. In der Wirtschaft stößt er auf ein geteiltes Echo. Sollte er, was nicht wahrscheinlich ist, in der jetzigen Form von den Regierungen angenommen werden, wäre dies für Klein- und Mittelbetriebe ein Segen, heißt es beim europäischen Dachverband des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (Ueapme). Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) lobt die ermäßigten Sätze für Dienstleistungen. ZDH-Steuerfachmann Matthias Lefarth fügte aber hinzu, reduzierte Sätze für Güter seien abzulehnen, weil sie zu Verwerfungen im Binnenmarkt führen könnten.
Quellen: FAZ, Die Welt, Reuters