In § 14 ist geregelt, wann Ausnahmen gelten dürfen. Solche sind möglich, wenn die genetische Untersuchung im Hinblick auf eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung Präventionsmöglichkeiten oder therapeutische Interventionsmöglichkeiten eröffnet. Ausnahmen gelten auch für den Fall, daß die Behandlung mit einem Arzneimittel vorgesehen ist, dessen Wirkung durch die genetischen Eigenschaften beeinflußt wird. Die genetische Untersuchung muß für die betroffene Person einen unmittelbaren Nutzen erbringen und nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik erforderlich sein.
Die Untersuchung muß, so weit wie möglich, verständlich gemacht werden. Es ist auf den natürlichen Willen der nichteinwilligungsfähigen Person abzustellen, die ihre Willen auch durch ein entsprechendes Verhalten kundtun kann. Sie darf – nach dem allgemein anerkannten Schutzstandard bei nicht einwilligungsfähigen Menschen – nur mit möglichst wenig Risiken und Belastungen verbunden sein.
Schließlich muß die Vertretungsperson entsprechend aufgeklärt sein und der Untersuchung zugestimmt haben.
Eine weitere Ausnahme regelt § 14 Abs. 2. Diese ist besonders für Personen von Bedeutung, in deren Familien eine genetische Erkrankung bekannt ist und im Rahmen der Familienplanung das genetische Risiko weiterer Erkrankungen oder gesundheitlicher Störungen bei eventuellen Nachkommen abgeschätzt werden soll.
Voraussetzung ist, daß eine Diagnose der genetischen Erkrankung oder gesundheitlichen Störung nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft nur durch die genetische Mituntersuchung der nicht einwilligungsfähigen Person möglich ist. Die übrigen genannten Vorraussetzungen bleiben weitestgehend gleich.
Damit vertritt die Bundesregierung weiterhin die strengen Kriterien, die sie bei bereits 1997 bis 1999 im Zusammenhang bei der Verabschiedung der Menschenrechtskonvention zur Biomedizin (Bioethikkonvention) des Europarates verfolgt hatte. Damals ging ihr der Schutz nicht einwilligungsfähiger Personen gegenüber den Begehrlichkeiten biomedizinischer Forschung und der Anwendung neuer Technologien nicht weit genug. Es wurde beanstandet, daß in Ausnahmefällen auch Forschung am nicht entscheidungsfähigen Menschen zu Forschungszwecken erlaubt sein solle.
Unter anderem ist in der Konvention folgendes vorgesehen:
- An einwilligungsunfähigen Menschen darf geforscht werden, ohne persönlichen Nutzen für sie selbst.
- Von einwilligungsunfähigen Menschen dürfen Gewebe oder Organe für Transplantationszwecke entnommen werden.
Nur fünf Länder (Dänemark, Griechenland, San Marino, die Slowakei und Slowenien) unterzeichneten die Konvention am 01.12.1999; Deutschland hat sie bis heute nicht ratifiziert.
Die entsprechenden Artikel der EU-Konvention lauteten:
Artikel 16: Schutz von Personen bei Forschungsvorhaben
Forschung an einer Person ist nur zulässig, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
I. Es gibt keine Alternative von vergleichbarer Wirksamkeit zur Forschung am Menschen;
II. die möglichen Risiken für die Person stehen nicht im Mißverhältnis zum möglichen Nutzen der Forschung;
III. die zuständige Stelle hat das Forschungsvorhaben gebilligt, nachdem eine unabhängige Prüfung seinen wissenschaftlichen Wert einschließlich der Wichtigkeit des Forschungsziels bestätigt hat und eine interdisziplinäre Prüfung ergeben hat, daß es ethisch vertretbar ist;
IV. die Personen, die sich für ein Forschungsvorhaben zur Verfügung stellen, sind über ihre Rechte und die von der Rechtsordnung zu ihrem Schutz vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen unterrichtet worden,
V. die nach Artikel 5 notwendige Einwilligung ist ausdrücklich und eigens für diesen Fall erteilt und urkundlich festgehalten worden. Diese Einwilligung kann jederzeit frei widerrufen werden.Artikel 17: Schutz einwilligungsunfähiger Personen bei Forschungsvorhaben
1. Forschung an einer Person, die nicht fähig ist, die Einwilligung nach Artikel 5 zu erteilen, ist nur zulässig, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
I. Die Voraussetzungen nach Artikel 16 Ziffern i bis iv sind erfüllt;
II. die erwarteten Forschungsergebnisse sind für die Gesundheit der betroffenen Person von tatsächlichem und unmittelbarem Nutzen;
III. Forschung von vergleichbarer Wirksamkeit ist an einwilligungsfähigen Personen nicht möglich;
IV. die nach Artikel 6 notwendige Einwilligung ist eigens für diesen Fall und schriftlich erteilt worden, und
V. die betroffene Person lehnt nicht ab.2. In Ausnahmefällen und nach Maßgabe der durch die Rechtsordnung vorgesehenen Schutzbestimmungen darf Forschung, deren erwartete Ergebnisse für die Gesundheit der betroffenen Person nicht von unmittelbarem Nutzen sind, zugelassen werden, wenn außer den Voraussetzungen nach Absatz 1 Ziffern i, iii, iv und v zusätzlich die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
I. Die Forschung hat zum Ziel, durch eine wesentliche Erweiterung des wissenschaftlichen Verständnisses des Zustands, der Krankheit oder der Störung der Person letztlich zu Ergebnissen beizutragen, die der betroffenen Person selbst oder anderen Personen nützen können, welche derselben Altersgruppe angehören oder an derselben Krankheit oder Störung leiden oder sich in demselben Zustand befinden, und
II. die Forschung bringt für die betroffene Person nur ein minimales Risiko und eine minimale Belastung mit sich.