Sachlage
Der Kläger, ein Werkstattträger, begehrte mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg die Feststellung, dass das beklagte Land als Leistungsträger den von ihr abgeführten Beitragszuschlag zur sozialen Pflegeversicherung für kinderlose Werkstattbeschäftigte zu erstatten habe.
Der Werkstattträger vertrat die Ansicht, dass der Beitragszuschlag zu erstatten sei. § 59 Abs. 5 SGB X sei auf Werkstattbeschäftigte nicht anzuwenden, mit der Folge, dass sie den Beitragszuschlag aus dem eigenen Arbeitsentgelt zu entrichten hätten. Bereits vor dem 1. Januar 2005 habe kein Unterschied zwischen kinderlosen Werkstattbeschäftigten und jenen, die Kinder erziehen, bestanden, da von beiden ein Beitrag zur Sozialversicherung nicht zu erbringen war. Zudem sei die Sonderregelung für Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II zu beachten. Schließlich sei es verfassungswidrig, einer Bürgerin oder einem Bürger Sozialversicherungsbeiträge aus einem Entgelt aufzuerlegen, das nicht einmal geeignet sei, das Existenzminimum sicherzustellen.
Nach Auffassung des beklagten Landes sei der Wortlaut von § 59 Abs. 5 SGB IX eindeutig; es beantragte die Klage zurückzuweisen. Zudem seien die Werkstattbeschäftigten nicht mit dem vom Beitragszuschlag ausgenommenen Personenkreis gleichzusetzen und könnten die Aufwendungen durch ergänzende Sozial- oder Grundsicherungsleistungen ausgleichen.
Das Gericht wies die Klage als unbegründet zurück. Es stellte fest, dass der Werkstattträger gegenüber dem beklagten Land keinen Erstattungsanspruch geltend machen könne und folgte damit im Wesentlichen den Urteilen der SG Gießen und Karlsruhe zur gleichen Frage. Danach sind die Beiträge für Werkstattbeschäftigte, die der Träger der Einrichtung zu tragen habe, von den zuständigen Leistungsträgern zu erstatten (§ 251 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V). Allerdings handle es sich bei dem Beitragszuschlag gerade nicht um einen solchen Beitrag, sondern um einen Zuschlag nach § 55 Abs. 3 S. 1 SGB X, der nicht unter die Erstattungsregelung fiele. Werkstattbeschäftigte seien insbesondere nicht ausdrücklich von der Befreiungsregelung ausgenommen. Soweit allein Wehr- bzw. Zivildienstleistende und Bezieher von ALG-II nicht zuschlagspflichtig sind, stützt der Gesetzgeber diese Entscheidung auf eine Vermeidung von unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand und eine Schonung des soziokulturellen Existenzminimums (BT-Drs. 15/3837). (Sozialgericht Magdeburg, 12.12.2008; AZ: S 5 P 38/05)
Einschätzung
Auch wenn das Urteil des SG Magdeburg im Ergebnis mit den Urteilen der SG Karlsruhe (Urteil vom 07.04.2006 - Az. S4SO 3675/05) und Gießen (S 15 KR 316/05) in der Frage zum Beitragszuschlag für Werkstattbeschäftigte übereinstimmt (vgl. auch aber auch: BSG, Urteil vom 27. 2. 2008 - B 12 P 2/ 07 R), bleiben Fragen letztlich offen. Das sagt auch das Gericht:
Bei Wehr- und Zivildienstleistenden mag die (Ausnahme-) Regelung wegen der Dienste für die Allgemeinheit einleuchten. Sie ist aber nicht mehr auf die Personengruppe der ALG-II-Empfänger übertragbar. Für sie gilt die Ausnahmeregelung zur Vermeidung unverhältnismäßig hoher Verwaltungskosten. Bei ca 220.000 betroffenen Werkstattbeschäftigten im Arbeitsbereich summiert sich der Beitragszuschlag von derzeit 1,25 Euro/Monat auf 3,3 Mio Euro/Jahr. Demgegenüber wäre der Aufwand zu beachten, der entstünde, sollte jeder grundsicherungsberechtigte Beschäftigte den Antrag auf ergänzende Sozialhilfe stellen. Weiterhin ist auch zu beachten, dass nicht alle Werkstattbeschäftigte Anspruch auf Grundsicherung haben. Anzumerken ist zudem auch, dass die ergänzenden Leistungen die Beitragszahlung nicht voll decken.
Problematisch bleibt, dass sich der Beitragszuschlag nicht nach dem tatsächlichen Arbeitsentgelt berechnet, sondern nach der für Werkstattbeschäftigte relevanten Größe von 20 v.H. der Bezugsgröße in der Krankenversicherung und beträgt demnach (im Jahr 2009) 1,25 Euro. Es ist leicht ersichtlich, dass dies vom realen Arbeitsentgelt mithin nicht 0,25 Prozent sind, sondern je nach Höhe des Arbeitsentgelts zwischen knapp 2 Prozent beim Mindestentgelt oder etwa 1 Prozent beim Durchschnittsentgelt von knapp 160 Euro). Der Beitragszuschlag trifft die Beschäftigten somit doppelt hart: Zu der Belastung bei dem geringen Arbeitsentgelt ist der Prozentsatz um ein Mehrfaches höher als bei jedem anderen Versicherten.
Zudem meldet das Gericht an, dass die Begründung für die Ausnahmeregelungen Fragen aufzuwerfen vermag. Allerdings könne der Werkstattträger vorliegend aber nur die Verletzung eigener Rechte geltend machen, nicht aber die Verletzung von Rechten Dritter, also der Beschäftigten. Insofern könne er seine Klage nicht darauf stützen, es sei verfassungswidrig, Werkstattbeschäftigten SV-Beiträge aus einem Entgelt aufzuerlegen, das nicht einmal geeignet sei, das Existenzminimum sicherzustellen.
Auch wenn die Diskussion um den Beitragszuschlag derzeit in den Hintergrund gerückt scheint; die BAG WfbM verfolgt weiterhin die Problematik und unterstützt die Revision. Zugleich ist sie bestrebt, in einem weiteren Verfahren die Individualrechte der Beschäftigten auch in diesem Fall weiter zu stützen.