Zum Sachverhalt (stark verkürzt):
Im vorliegenden Fall hatte der Sozialhilfeträger bei der Familienkasse einen Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 Absatz 1 EStG gestellt. Demnach besteht die Möglichkeit, das Kindergeld nicht an die Kindergeldberechtigten auszuzahlen, sondern an das Kind selbst oder an den tatsächlich Unterhaltgewährenden (z. B. den Sozialhilfeträger), wenn der Unterhaltsverpflichtete (z. B. die Eltern) zur Deckung des Lebensbedarfs mangels Leistungsfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist.
Die Familienkasse lehnte den Antrag des Sozialhilfeträgers ab. Die Mutter des behinderten Kindes habe Aufwendungen nachweisen können, die den Betrag des Kindergeldes übersteigen. Folglich käme eine Abzweigung des Kindergeldes nicht in Betracht. Der Sozialhilfeträger akzeptierte die Entscheidung der Familienkasse nicht und erhob Klage vor dem Finanzgericht Münster.
Die Entscheidung des Gerichts (stark verkürzt):
Das Gericht wies die Klage des Sozialhilfeträgers als unbegründet zurück. Die Familienkasse habe zu Recht die von der Mutter im Zusammenhang mit der Betreuung und dem Umgang mit dem Kind tatsächlich entstandenen und glaubhaft gemachten Aufwendungen berücksichtigt.
Das Gericht führt aus: „Bei im Haushalt lebenden volljährigen behinderten Kindern ist es grundsätzlich geboten, den gesamten Lebensbedarf des Kindes und dessen eigene Einkünfte und Bezüge – unter Hinzuziehung des Kindergeldberechtigten – zu ermitteln und einander gegenüber zu stellen. Nur wenn sich bei dieser Gegenüberstellung eine Deckungslücke ergibt, ist hinreichend nachvollziehbar, dass ein insoweit bestehender Lebensbedarf aus dem Einkommen der Kindeseltern gedeckt wurde“ (Anmerkung: Urteil enthält detaillierte Gegenüberstellung – als „Muster“ verwendbar).
Für eine Berücksichtigung konkret dargelegter und glaubhaft gemachter Betreuungsleistungen spreche nach Auffassung des Gerichts, dass es keinen Unterschied machen dürfe, ob ein behinderungsbedingter Betreuungsbedarf des Kindes (zeitweise) durch Dritte gegen Entgelt befriedigt wird oder ob dieser allein durch die Eltern gedeckt werde. Auch wenn in dem einen Fall ein Aufwand in Geld bestehe, bestünde doch im anderen Fall jedenfalls ein – auch unterhaltsrechtlich – bewertbarer Aufwand.
Die Eltern seien jedoch verpflichtet, die Notwendigkeit der Betreuung und deren Durchführung nach Art und zeitlichem Umfang im Einzelnen konkret darzulegen und hinreichend glaubhaft zu machen. Eine Berücksichtigung fiktiver Kosten sei hingegen nicht möglich (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 09. Februar 2009; Az.: III R 37/0).
Die Mutter des behinderten Kindes habe den erforderlichen Nachweis erbringen können. Die Richter setzten daraufhin die konkret benannten Betreuungsleistungen der Mutter mit acht Euro die Stunde an. In der Summe erreichten die Unterhaltsaufwendungen der Mutter somit den Betrag des Kindergeldes. Das Klagebegehren des Sozialhilfeträgers hatte keinen Erfolg.