Am Montag, 17. Oktober 2011, fand im Bundestag die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Thema : „Nationaler Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“ statt. Die Sitzung vom 17. Oktober wird heute, am Mittwoch, 19. Oktober, mit Untertiteln im Parlamentsfernsehen und im Web-TV www.bundestag.de übertragen.
Die Bundesregierung muss sich noch konsequenter als bisher für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention einsetzen und ihren Nationalen Aktionsplan (NAP) diesbezüglich konkretisieren. Dies forderte die Mehrheit der Sachverständigen. Den Vorsitz des Ausschusses hatte Katja Kipping (Die Linke). Die Liste der angehörten Sachverständigen finden Sie unter hier .
„Die Idee der Inklusion verankern“
Mit dem Nationalen Aktionsplan will die Bundesregierung nach eigenen Angaben einen Prozess anstoßen, um in den kommenden zehn Jahren die Idee der Inklusion, also das selbstbestimmte, gemeinsame Leben von Menschen mit und ohne Behinderungen, im gesellschaftlichen Alltag zu verankern. Er dokumentiert sämtliche Maßnahmen der Bundesregierung zur Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft – insgesamt 213 Projekte aus verschiedensten Lebensbereichen.
Für Valentin Aichele vom Deutschen Institut für Menschenrechte ist der Aktionsplan ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der UN-Konvention, der einen Beitrag leiste, um gesellschaftliche Multiplikatoren für dieses Thema zu gewinnen. Die Ausrichtung auf die Inklusion sei richtig, müsse nun aber konsequent, also noch in dieser Legislaturperiode, umgesetzt werden, forderte er.
„Behindertenfrage eine Menschenrechtsfrage“
„Wir weisen schon seit Jahren darauf hin, dass die Potenziale behinderter Menschen in den Unternehmen besser genutzt werden müssen“, ergänzte Anna Robra von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Viele größere Unternehmen würden sich dort schon lange engagieren. Jedoch könne man ein solches Engagement nicht als allgemeine Empfehlung aussprechen, da die Bedingungen und Möglichkeiten vor Ort sehr unterschiedlich seien, sagte Robra.
Prof. Dr. Theresia Degener von der Evangelischen Fachhochschule Rheinland Westfalen Lippe in Bochum hob positiv hervor, dass der Aktionsplan die Behindertenfrage klar zu einer Menschenrechtsfrage gemacht habe und Deutschland hier eine Vorreiterrolle spiele.
„Keine Partizipation auf Augenhöhe“
Kritischer äußerte sich Dr. Sigrid Arnade, Mitbegründerin vom Netzwerk behinderter Frauen Berlin e.V.: „Der NAP entspricht nicht unseren Erwartungen.“ Sie kritisierte vor allem, dass es mit den Betroffenen keine Partizipation auf Augenhöhe gegeben habe und der NAP ein „munteres Bündel“ verschiedener Maßnahmen sei, die zum Teil schon abgelaufen seien. Zudem dürfe man Menschenrechte nicht unter einen Haushaltsvorbehalt stellen, also deren Durchsetzung, wie ein selbstbestimmtes Wohnen, nicht von der Kostenfrage abhängig machen.
Diesen Punkt sprach auch Prof. Dr. Felix Welti, Professor für Humanwissenschaften an der Universität Kassel, an: Es gebe ein Menschenrecht auf Privatheit, und deshalb müsse man gerade beim Thema Wohnen den Kostenvorbehalt zurücknehmen.
Keine Aussagen zur finanziellen Absicherung Auf die finanzielle Situation behinderter Menschen ging auch Petra Hilbert ein, die selbst Opfer der Contergan-Affäre und deshalb an den Rollstuhl gebunden ist. Der NAP enthalte keine Aussagen zur finanziellen Absicherung behinderter Menschen. Wenn man jedoch eine selbstbestimmte Teilhabe durchsetzen will, brauche man ein separates Teilhabegesetz, so Hilbert.
In dieselbe Richtung äußerte sich Claudia Tietz, Referentin beim Sozialverband Deutschland. Ein eigenständiges Leistungsgesetz sei unbedingt nötig, denn es sei schwer nachvollziehbar, dass es einkommens- und vermögensabhängige Leistungen im Fürsorgerecht gibt, sagte Tietz.
Stellungnahme der BAG WfbM vom 19. Mai
Die BAG WfbM fokussierte in ihrer Stellungnahme vom 19. Mai 2011 die Passagen des Aktionsplanes, die die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben betreffen. Eine Zukunftsstrategie, um die Leitidee der Inklusion mit Leben zu füllen, sieht die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten in der Erweiterung des Marktes um „soziale Unternehmen“.
Rund drei Millionen Menschen mit Behinderung im erwerbsfähigen Alter sind nicht erwerbstätig. Daraus zieht die Bundesregierung den Schluss, dass der größte Teil nicht am Erwerbsleben teilhaben wolle oder nicht erwerbsfähig sei. Im Gegensatz dazu vertritt die Bundesarbeitsgemeinschaft die Überzeugung, dass die hohe Zahl vielmehr auf nicht vorhandene bzw. nicht passgenaue Angebote zur Teilhabe am Arbeitsleben zurückzuführen ist: „Sich bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt nur auf die Integrationskraft des Arbeitsmarktes zu verlassen, ignoriert die ungleichen Chancen behinderter Menschen im Wettbewerb der Arbeitnehmer“, betont der Vorstandsvorsitzende Mosen.
Mit der Veröffentlichung des Strategiepapiers „Maßarbeit – Neue Chancen mit Sozialunternehmen“ hat der Vorstand der BAG WfbM einen Vorschlag erarbeitet, der aufzeigt, wie mehr Menschen am Arbeitsleben teilhaben können – behinderte und nicht-behinderte Menschen. „Maßarbeit“ überträgt das erfolgreiche Konzept der Werkstattarbeit auf alle Personen, die Unterstützungsangebote auf ihrem Weg in die Arbeitswelt benötigen.