Am 23. und 24. November waren die Minister und Senatoren für Arbeit und Soziales der 16 Bundesländer in Leipzig zusammengekommen, um sich über aktuelle Themen der Arbeits- und Sozialpolitik zu verständigen.
Mit Spannung haben Träger und Erbringer von Rehabilitationsleistungen die angekündigten Vorschläge erwartet. Im November 2010 hatten sich die Arbeits- und Sozialminister der Länder bei der 87. ASMK-Konferenz einstimmig auf eine Reform der Eingliederungshilfe verständigt. Die Ausarbeitung hatte hinter verschlossenen Türen, ohne Einbeziehung der Verbände und Interessensvertreter stattgefunden.
Seit Dienstag, 13. Dezember 2011, sind die Ergebnisse der 88. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) veröffentlicht (http://www.sms.sachsen.de/download/Verwaltung/Protokoll_extern.pdf ). Eine Eingliederungshilfereform ist nach dem vorliegenden Protokoll nicht zu erwarten. Die BAG WfbM hat die wichtigsten Ergebnisse, die Werkstätten betreffen, zusammengefasst:
Top 5.9. Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (S. 77)
Die Mitwirkungsverordnung betreffend hat die ASMK beschlossen, zwei gesetzliche Regelungen zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu regeln:
1. Die aktuell bestehende Beschränkung der Werkstatträte auf sieben Mitglieder (§ 3 WMVO),
2. die Wahl der Vertrauensperson für den Werkstattrat (§ 39 Abs. 3 WMVO).
Top 7.1. Zahlung eines Nachteilsausgleiches
Des Weiteren haben die Minister und Senatoren beschlossen, erneut die bundesweite Einführung „des Budgets für Arbeit nach rheinlandpfälzischem Modell“ zu prüfen. Im Ergebnisprotokoll taucht diese Bezeichnung so nicht auf, sondern wird wie folgt beschrieben:
„7.1. Zahlung eines Nachteilsausgleiches (Lohnsubventionierung) bei sozialversicherungs-pflichtiger Beschäftigung an Arbeitgeber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Beschäftigung voll erwerbsgeminderter wesentlich behinderter Menschen aus Mitteln der Eingliederungshilfe.“
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe bekam von der ASMK den Auftrag zu prüfen, ob eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für einen dauerhaften Nachteilsausgleich aus Mitteln der Sozialhilfe geschaffen werden soll. Die einzusetzenden Mittel sollen die der Werkstattbeschäftigung nicht überschreiten. Das Thema war zuvor zurückgestellt worden.
Prekäre Beschäftigung in Deutschland
Im Gegensatz zu den jüngsten Erfolgsmeldungen über die Entwicklung des Arbeitsmarktes weist die ASMK deutlich auf gesellschaftliche Probleme hin. In Top 7.8 „Zukunftsfähige und faire Arbeitspolitik“ (Seite 149) stellt die ASMK fest, „dass die Einkommensverteilung in Deutschland zunehmend in Schieflage gerät. Immer mehr Menschen erzielen keinen existenzsichernden Lohn aus ihrer Beschäftigung“. Mit Sorge sehen sie, dass sich die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt hat. Existenzsicherndes Arbeitseinkommen und eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kann oft nicht mehr über eine Vollzeitbeschäftigung erreicht werden.
Der Arbeitsmarkt ist exklusiv statt inklusiv – Nicht alle haben Chancen auf Teilhabe
Auf Seite 151 bringen die Minister und Senatoren ein zentrales gesellschaftliches Problem auf den Punkt: „Exklusionsprozesse am Arbeitsmarkt verhindern nicht nur die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe der betroffenen Menschen, sondern führen zu einer Fehlbelastung der sozialen Sicherungssysteme“. (S. 151) Als Beispiele nennen sie u. a., „dass junge Menschen trotz abgeschlossener Ausbildung oder abgeschlossenem Studium ohne oder mit nur geringer Bezahlung als Praktikanten beschäftigt werden“. Deutschland weist eine der höchsten Raten von Langzeitarbeitslosen unter den Industrieländern auf.
Wie inklusiv ist der allgemeine Arbeitsmarkt? „Die Teilhabemöglichkeiten behinderter Menschen dürfen nicht von der Konjunktur abhängig gemacht werden", fordert der BAG WfbM-Vorstandsvorsitzende Günter Mosen, „das machen die Ergebnisse der ASMK 2011 sehr deutlich. Es braucht wirksame, kraftvolle Hilfen für Menschen, die diese benötigen - und das unabhängig von Statistiken und Marktmechanismen“. Für benachteiligte Menschen hat es gravierende Folgen, wenn die ungleichen Zugangschancen ignoriert werden, wenn sich die Politik nur auf die Integrationskraft des allgemeinen Arbeitsmarktes verlässt.
Wie im Positionspapier „Maßarbeit“ dargestellt, könnten vom Knowhow und der Infrastruktur der Werkstätten weit mehr profitieren: Einmal Firmen und Organisationen, die Anleitung und Unterstützung beim Anpassen von Arbeit brauchen. Aber auch Menschen ohne Behinderung, die ohne Unterstützung auf dem „offenen“ Arbeitsmarkt keinen Fuß fassen können – Langzeitarbeitslose beispielsweise.