Am 22. September 2013 wird der deutsche Bundestag gewählt. Welche Antworten haben die politischen Parteien auf konkrete Fragen? Welche Maßnahmen wollen sie ergreifen, um die Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderung zu fördern? Welche Rahmenbedingungen wollen sie schaffen, um Werkstattträger bei ihrem Beitrag zur Inklusion zu unterstützen?
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM) hat neun Fragen formuliert und die Parteien um ihre Antwort gebeten. In Folge stellen wir die Antworten der jeweiligen Partei vor. Hier erfahren Sie die Position der SPD.
1. Teilhabe für alle. Die UN-Konvention fordert von den Vertragsstaaten Maßnahmen, damit Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben von Beginn an partizipieren können. Dieser Prozess heißt Inklusion. Wie wird Ihre Partei helfen, dies zu erreichen?
SPD: Die SPD hat 2008 und 2009 in der Bundesregierung nicht nur dafür gesorgt, dass die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) unterzeichnet und ratifiziert wird, sie hat sich seitdem auch im Deutschen Bundestag und in den Parlamenten der Länder für eine zügige und umfassende Umsetzung eingesetzt. Wir haben dazu Vorschläge für alle Politikfelder erarbeitet und auch ständig mit den Betroffenen und ihren Verbänden abgestimmt (vgl. Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion „Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention - Herausforderung und Chance für eine inklusive Gesellschaft“). Wo wir politische Ämter haben, können wir aktiv gestalten. Dort, wo wir keine Ämter haben, bringen wir unsere Ideen in die anstehenden politischen und gesellschaftlichen Prozesse ein.
Innerhalb der SPD ist die Arbeitsgemeinschaft „SelbstAktiv“ hierbei eine besondere Hilfe, denn sie bringt die Betroffenenperspektive aktiv in die politische Willensbildung der Partei ein. Langfristiges Ziel der SPD ist es, dass Menschen mit und ohne Behinderung von Anfang gemeinsam leben, lernen, arbeiten. Inklusion fängt in der frühen Bildung an, betrifft Schulen und Ausbildung und später die Teilhabe am Arbeitsleben. Diskriminierungen jeder Art treten wir aktiv entgegen. Wir wollen insbesondere, dass Menschen mit Behinderung die gleichen Rechte auf ein auskömmliches Einkommen, eine Familiengründung und ein unabhängiges Leben verwirklichen können, wie alle anderen Mitglieder dieser Gesellschaft auch. Für diese Ziele setzen wir uns auf allen Ebenen fachlich ein.
2. Welche Maßnahmen ergreift Ihre Partei, damit mehr Arbeitgeber Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz anbieten können?
SPD: Unternehmen ab einer bestimmten Größe sind gesetzlich verpflichtet, behinderte Menschen zu beschäftigen oder alternativ eine Ausgleichsabgabe zu bezahlen. Fast ein Drittel der Unternehmen erfüllt die Beschäftigungspflicht nur unzureichend oder gar nicht. Eine Senkung der Pflichtquote hatte keine Erfolge gezeigt, mehr Menschen mit Behinderungen in Arbeit zu bringen. Deshalb wollen wir die Unternehmen wieder in die Pflicht nehmen und Quote und Ausgleichsabgabe erhöhen.
Die Einnahmen aus der Abgabe werden konsequent für die Inklusion von Menschen mit Behinderung ins Erwerbsleben eingesetzt. Hier wollen wir unseren Fokus auf die verstärkte Förderung von Integrationsunternehmen und deren Beschäftigten legen, in deren Rahmen schon heute auch zahlreiche Werkstätten Teilhabe am Arbeitsleben organisieren. Zudem müssen die Vermittlungs- und Eingliederungsbemühungen der Agentur für Arbeit wieder deutlich besser werden. Dafür werden wir sorgen.
3. Der Erfolg der beruflichen Rehabilitation von Menschen mit Behinderung wird zunehmend anhand wirtschaftlicher Kriterien bewertet. Der Arbeitsplatz im allgemeinen Arbeitsmarkt wird zum Maßstab gemacht. Sind Sie der Meinung, dass alle Menschen mit Behinderung dieses Ziel erreichen?
SPD: Die UN-Behindertenrechtskonvention stellt in Art. 27 fest, dass alle Menschen das Recht haben, ihren Lebensunterhalt in einem freien und zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld zu verdienen und fordert, dass die Vertragsstaaten dieses Recht sichern und fördern. Dieses individuelle Recht steht für die SPD an oberster Stelle. Wir sind der Ansicht, dass wir in unserem derzeitigen System – was eine Fülle von guten Instrumenten bietet - noch lange nicht allen, die es möchten und nutzen können, diese Chancen einräumen. Wir arbeiten aber daran, das zu schaffen.
Sicherlich wird es auch Menschen geben, für die nach jetzigem Erkenntnisstand unterstützter Einsatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich ist. Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, die Instrumente, die das oben zitierte Recht (Art. 27 UN-BRK) verwirklichen helfen, effektiv zu nutzen und - wo nötig - auch neue Wege zu gehen.
4. Ist Ihre Partei mit uns der Meinung, dass der Rechtsanspruch auf eine Beschäftigung in einer WfbM auch für Menschen mit schwersten und mehrfachen Behinderungen unabhängig von der Leistungsfähigkeit bestehen sollte?
SPD: Teilhabe am Arbeitsleben ist ein Grundrecht, wie es auch die UN-Konvention fordert. Darauf werden wir auch in Zukunft achten und sicherstellen, dass jeder Mensch unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit dieses Recht wahrnehmen kann. Insbesondere werden wir uns dafür einsetzen, dass bundesweit ein Anspruch für diejenigen geschaffen wird, die derzeit nur in Fördergruppen unter dem Dach der Werkstatt betreut werden können. Hierzu werden wir uns gerne mit allen relevanten Akteuren verständigen.
5. Unsere Sozialunternehmen können für unsere Gesellschaft und für die deutsche Wirtschaft wichtige Funktionen übernehmen. Arbeit gestalten trotz psychischer Erkrankung oder Leistungswandlung ist unsere Profession. Werden Sie uns unterstützen, unser Wissen mit anderen Unternehmen zu teilen?
SPD: Die Förderung von Sozialwirtschaftsunternehmen liegt uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten besonders am Herzen. Deshalb unterstützen wir gerade im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben behinderter Menschen die Ausweitung der Beschäftigung in Integrationsunternehmen und –projekten.
Selbstverständlich werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass die Kompetenz der Werkstätten im Sinne der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt gleichberechtigt eingebracht werden kann. Im Vordergrund steht die Teilhabe am Arbeitsleben der Betroffenen.
6. Werden Sie unsere Sozialunternehmen dabei unterstützen, für schwerbehinderte Arbeitnehmer Integrationsarbeitsplätze in Werkstätten zu schaffen?
SPD: Erwerbsfähige schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben zahlreiche Nachteile auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Für sie gibt es jedoch auch eine Vielzahl an Förder- und aktiven Integrationsmöglichkeiten. Wir sprechen uns dafür aus, diese Möglichkeit noch stärker zu nutzen und vor allem eine verlässliche Finanzierung bereit zu stellen. Dies kann nur durch eine Reform der Ausgleichsabgabe und ihrer Verwendung erreicht werden.
Die Werkstätten sind bisher Arbeits- und Rehabilitationsraum für erwerbsgeminderte Personen, daher muss bei zukünftigen Modularisierungen und Flexibilisierungen auch über das Persönliche Budget eine Abgrenzung der Personenkreise sichergestellt werden. Es darf unserer Ansicht nach nur in dem Maße weitere Beschäftigung in Werkstätten geschaffen werden, wie es gelingt, Inklusion am Arbeitsmarkt zu erreichen. Es handelt sich hier um ein hochkompliziertes Geflecht aus Ansprüchen und Interessen von Betroffenen, Kostenträgern und Leistungserbringern. Am Ende müssen deutlich mehr Menschen als heute auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Chance bekommen.
7. Werden Sie sich mit uns dafür einsetzen, die Ausbildungsvorbereitung in unseren Bildungsbereichen von zwei auf drei Jahre zu erhöhen? Wer langsamer lernt, braucht mehr Zeit!
SPD: Wir sind mit Ihnen der Meinung, dass eine Ausbildung an den Fähigkeiten der Betroffenen erfolgen sollte, wenn ein Erfolg für die Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt erreicht werden soll. Eine Verlängerung des Zeitraumes im Berufsbildungsbereich halten wir für sinnvoll. Dies sollte bei einer Reform der Eingliederungshilfe als Finanzierungsgrundlage für die Teilhabe am Arbeitsleben in Werkstätten mit diskutiert werden.
8. Werden Sie uns dabei unterstützen, mehr Maßnahmen durchzuführen, um mehr Menschen aus Werkstätten für den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten?
9. Wird Ihre Partei uns unterstützen, die Zusammenarbeit von behinderten und nichtbehinderten Menschen in unseren Sozialunternehmen voranzutreiben? Wir können Menschen Beschäftigung und Perspektive bieten, die ihnen der Arbeitsmarkt verwehrt.
SPD beantwortet die Fragen 8 und 9 zusammen:
Die SPD setzt sich nachhaltig für die volle selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsmarkt ein und unterstützt alle gesellschaftlichen Kräfte dabei, die Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Dafür werden besondere Anstrengungen nötig sein, dessen sind wir uns bewusst. Die Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bietet eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben, die wir jedem und jeder Beschäftigten in den Werkstätten, wenn möglich, eröffnen möchten und bei dem wir ihn oder sie bestmöglich unterstützen möchten. In diesem Zusammenhang halten auch wir die Zusammenarbeit von Beschäftigten mit und ohne Behinderung in Werkstätten und Integrationsunternehmen für ausschlaggebend, um Inklusion auch im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern. Wir werden uns gemeinsam mit den Werkstätten, den Werkstatträten und den Integrationsunternehmen sowie den sozialen Unternehmen in der kommenden Legislatur für eine konzeptionelle Neuausrichtung der Teilhabeleistungen einsetzen, die den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht wird.