Welche Maßnahmen wollen die Parteien nach der Bundestagswahl am 22. September 2013 ergreifen, um die Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderung zu fördern? Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM) hat neun Fragen formuliert und die Parteien um ihre Antwort gebeten. Hier lesen Sie die Antworten der Partei Die Linke.
1. Teilhabe für alle. Die UN-Konvention fordert von den Vertragsstaaten
Maßnahmen, damit Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben von
Beginn an partizipieren können. Dieser Prozess heißt Inklusion.
Wie wird Ihre Partei helfen, dies zu erreichen?
Die Linke: DIE LINKE hat diesbezüglich bereits eigene Vorschläge vorgelegt und fordert in ihrem Antrag
für ein Teilhabesicherungsgesetz (Bundestagsdrucksache 17/7889) inklusive Strukturen,
umfassende Barrierefreiheit und einkommens- und vermögensunabhängige Leistungen, um
Menschen mit Behinderungen gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention die volle Teilhabe
in allen gesellschaftlichen Bereichen zu garantieren.
Die zentrale Forderung in diesem Zusammenhang lautet, den Anspruch auf bedarfsgerechte,
einkommens- und vermögensunabhängige persönliche Assistenz in jeder Lebenslage und -
phase sowie in jedem gesellschaftlichen Bereich festzuschreiben. Teilhabeleistungen sollten
sich aus einer Pauschale und/oder Personal- und Sachkosten (z.B. Hilfsmittel)
zusammensetzen.
Die Teilhabeleistungen sind so zu bemessen, dass die Assistenzkräfte faire, gute und gesunde
Arbeitsbedingungen vorfinden und tarifliche Entlohnung und Eingruppierung garantiert wird.
Um Lohndumping zu verhindern, ist als Untergrenze ein Mindestlohn festzusetzen. Ein
Berufsbild Assistenz ist zu entwickeln und es sind Weiter- beziehungsweise Fortbildungen nach
bundesweit einheitlichen Standards zu ermöglichen.
Die gesetzliche Verankerung der Regelungen des Teilhabesicherungsgesetzes sollte im SGB IX
erfolgen. Die Normen zur Eingliederungshilfe sind dazu aus dem SGB XII herauszulösen, den
modernen Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention anzupassen und ins SGB IX zu
überführen. Das Teilhabesicherungsgesetz soll durch die Versorgungsämter oder neu zu
schaffende Teilhabeämter ausgeführt werden. Diese sollen die Ansprüche und Bedarfe nach
bundesweit einheitlichen Kriterien feststellen sowie die Leistungen aus einer Hand gewähren.
Eine reibungslose und personenorientierte Leistungserbringung bedarf einer
flächendeckenden, sozial und inklusiv ausgestalteten Infrastruktur. Bestehende Strukturen und
Leistungen werden in diesem Sinne weiter ausgebaut. Eine beitragsfreie, unabhängige und
wohnortnahe Beratung muss Teil des Anspruchs sein.
DIE LINKE ist die einzige politische Kraft, die solch ein Konzept in der jetzigenWahlperiode
vorlegte. Sie wird sich auch künftig für dessen Umsetzung einsetzen und konsequent gegen
alle Versuche auftreten, unter der Überschrift „Inklusion“ bestehende Leistungen für
Menschen mit Behinderungen zu beschneiden.
Politische Partizipation gehört auch zur Teilhabe dazu, daher fordert DIE LINKE gemäß Artikel
29 (Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben) der UN-Behindertenrechtskonvention,
dass allen Menschen mit Behinderungen die politischen Rechte garantiert werden müssen
sowie die Möglichkeit, diese gleichberechtigt mit anderen zu genießen.
Daher lehnt DIE LINKE denWahlrechtsausschluss von einigen Menschen mit Behinderungen
ab. Die Bundestagsfraktion DIE LINKE forderte bereits in dieser Wahlperiode mit einem
Änderungsantrag die Streichung von § 13 Nummer 2 und 3 (siehe Beschlussempfehlung zur
Änderung des Bundeswahlgesetzes - Bundestagsdrucksache 17/12417), damit auch Menschen
ein Wahlrecht haben, die unter „Vollbetreuung“ stehen. Diese Forderung wird DIE LINKE auch
zukünftig aufrechterhalten.
2. Welche Maßnahmen ergreift Ihre Partei, damit mehr Arbeitgeber Menschen
mit Behinderung einen Arbeitsplatz anbieten können?
Die Linke: DIE LINKE unterstützt die Forderung nach Verbesserung der Teilhabe am Arbeitsleben für
Menschen mit Behinderungen. Dazu bedarf es nicht weiterer Pilotprojekte sondern eines
Paradigmenwechsels. Im Antrag „Gute Arbeit für Menschen mit Behinderung“
(Bundestagsdrucksache 17/9758) fordert DIE LINKE deshalb: Die Schaffung von
Rahmenbedingungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt – so wenig Sonderarbeitswelten wie
möglich; langfristige und bedarfsgerechte Förderprogramme zur Beschäftigung von Menschen
mit Behinderungen; die sofortige Erhöhung der Beschäftigungsquote auf sechs Prozent sowie
eine spürbare Anhebung der Ausgleichsabgabe; die Änderung der Arbeitsstättenverordnung
zur Schaffung einer barrierefreien Arbeitsumwelt; den Ausbau von Integrationsfirmen und -
abteilungen; die Verbesserung von Beratung und Vermittlung von Menschen mit
Behinderungen durch die Bundesagentur für Arbeit, das Recht auf reguläre Arbeitsverhältnisse
und eine tarifliche Entlohnung für Beschäftigte in denWerkstätten für behinderte Menschen
sowie Mitbestimmungsrechte für deren Werkstatträte und die Stärkung der
Schwerbehindertenvertretungen. DIE LINKE sieht den Bund in der Pflicht, energische Schritte
in diese Richtung einzuleiten und diese sowohl rechtlich als auch finanziell im Haushalt
abzusichern.
3. Der Erfolg der beruflichen Rehabilitation von Menschen mit Behinderung wird
zunehmend anhand wirtschaftlicher Kriterien bewertet. Der Arbeitsplatz im
allgemeinen Arbeitsmarkt wird zum Maßstab gemacht.
Sind Sie der Meinung, dass alle Menschen mit Behinderung dieses Ziel
erreichen?
Die Linke: Die Berufliche Rehabilitation sollte sich am Bedarf der Menschen mit Behinderungen
orientieren und nicht an wirtschaftlichen Kriterien.
Beispielsweise ist die Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen vorrangig zu fördern und
berufsbegleitende Fortbildung zu entwickeln. Verbindlichere Festlegungen für die betriebliche
Ausbildung behinderter und schwerbehinderter Jugendlicher sind dringend erforderlich. Dazu
gehört: eine verbindliche Ausbildungsplatzquote und eine Ausbildungsplatzausgleichsabgabe
zu prüfen.
Dazu gehört: Besondere Förderungen für Integrationsunternehmen und -betriebe zur
Berufsausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen zu entwickeln. Dazu gehört: die
inklusions- und förderpädagogische Qualifizierung von Ausbilderinnen und Ausbildern und
aller Akteure am Arbeitsmarkt. DIE LINKE lehnt das Kriterium der „wirtschaftlich verwertbaren
Leistung“ (§ 136 Abs. 2 SGB IX) als Zugangskriterium inWerkstätten ab. Denn: jeder Mensch ist
zu sinnvoller Tätigkeit fähig, wird diese nicht an ein verwertbares Produkt gebunden.
4. Ist Ihre Partei mit uns der Meinung, dass der Rechtsanspruch auf eine
Beschäftigung in einer WfbM auch für Menschen mit schwersten und mehrfachen
Behinderungen unabhängig von der Leistungsfähigkeit bestehen sollte?
Die Linke: Ja, denn die Aufhebung der „wirtschaftlich verwertbaren Leistung als Zugangskriterium in die
Werkstatt impliziert, auch die Unterscheidung zwischen „werkstattfähigen“ und „nicht
werkstattfähigen Menschen“ aufzuheben. DIE LINKE sieht in den Werkstätten solange einen
wichtigen Ort für individuelle Förderung und die Entwicklung sozialer Kontakte, wie der
Arbeitsmarkt nicht ausreichend inklusiv ausgestaltet ist.
5. Unsere Sozialunternehmen können für unsere Gesellschaft und für die
deutsche Wirtschaft wichtige Funktionen übernehmen. Arbeit gestalten trotz
psychischer Erkrankung oder Leistungswandlung ist unsere Profession. Werden
Sie uns unterstützen, unser Wissen mit anderen Unternehmen zu teilen?
Die Linke: Das förderpädagogische und sozialunternehmerische Knowhow derWerkstätten muss in die
inklusive und barrierefreie Gestaltung des regulären Arbeitsmarktes einfließen. DIE LINKE
unterstützt deshalb sozialraumbezogene Kooperation und Know-how-Transfer in diese
Richtung. Wir unterstützen alle Initiativen, die Werkstattbeschäftigten einen Weg in den
regulären Arbeitsmarkt eröffnen – also den Werkstätten ermöglichen, ihre gesetzliche
Aufgabe zu erfüllen. Dabei tritt DIE LINKE für ein unbegrenztes Rückkehrrecht von ehemaligen
Werkstattbeschäftigten in die Werkstatt und für eine Entlohnung auf Außenarbeitsplätzen
nach dem Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ein. Zugleich wendet sich DIE LINKE
entschieden gegen eine zunehmende Abschiebung von langzeitarbeitslosen Menschen in den
Werkstattbereich.
6. Werden Sie unsere Sozialunternehmen dabei unterstützen, für
schwerbehinderte Arbeitnehmer Integrationsarbeitsplätze in Werkstätten zu
schaffen?
Die Linke: Die LINKE setzt sich für mehr Integrationsprojekte nach § 132 SGB IX ein und unterstützt vor
allem die Forderung nach mehr Integrationsarbeitsplätzen in regulären Unternehmen und
nach einer Stärkung der Integrationsbetriebe. Integrationsarbeitsplätze in Werkstätten, die
den Übergang in eine reguläre Beschäftigung zum Ziel haben und diesen auch nachweislich
befördern, kann DIE LINKE im Einzelfall und bei regulärer Entlohnung unterstützen. Maßstab
der LINKEN bleibt die Eröffnung von Chancen für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen
mit Behinderung, die das wünschen. Dieses Ziel ist nicht über Einzellösungen, sondern nur
erreichbar über ernsthafte Schritte in eine inklusive Arbeitswelt.
7. Werden Sie sich mit uns dafür einsetzen, die Ausbildungsvorbereitung in
unseren Bildungsbereichen von zwei auf drei Jahre zu erhöhen? Wer langsamer
lernt, braucht mehr Zeit!
Die Linke: DIE LINKE unterstützt alle Maßnahmen, die Menschen mit Behinderung einen Weg in reguläre
Beschäftigung und so zu mehr Selbstbestimmung eröffnen. Individuelle, bedarfsdeckende
Lösungen ohne Kostenvorbehalt will DIE LINKE auch für den Ausbildungsbereich in
Werkstätten. Dazu kann auch eine Verlängerung der vergüteten Ausbildungszeit im
Bildungsbereich gehören, wenn sie insbesondere den Aufbaukurs betrifft und damit die
auszuprägenden individuellen Fähigkeiten erweitert oder einer möglichen Berufsausbildung
bzw. einem Integrationsarbeitsplatz dient.
8. Werden Sie uns dabei unterstützen, mehr Maßnahmen durchzuführen, um
mehr Menschen aus Werkstätten für den allgemeinen Arbeitsmarkt
vorzubereiten?
Die Linke: Ja: DIE LINKE fordert (Antrag „Gute Arbeit für Menschen mit Behinderung,
Bundestagsdrucksache 17/9758), den personenzentrierten Ansatz als Instrument ohne
Kostenvorbehalt auszugestalten. Dafür sind Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
bedarfsgerecht auf der Grundlage eines bundeseinheitlichen, am Lebenslagenansatz
orientierten Bedarfsfeststellungsverfahrens auszugestalten.
Für Verlässlichkeit und Planbarkeit sind Förderungen trägerübergreifend und langfristig zu
gewähren, auch in Form von dauerhaften Lohn-, Gehalts- sowie Mobilitätszuschüssen.
Übergangswege in reguläre Beschäftigung wie der „Öffentlich geförderte
Beschäftigungssektor“ und die „Unterstützte Beschäftigung“ sind zu erweitern, beispielsweise
durch dauerhafte Berufsbegleitung, und aus Bundesmitteln langfristig zu sichern.
Werkstattbeschäftigten muss im Fall des Übergangs in ein versicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis ein unbefristetes Rückkehrrecht eingeräumt werden, das ihre
besonderen Zugangsvoraussetzungen zu einer vollen Erwerbsminderungsrente nicht
beeinträchtigt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/9758).
9. Wird Ihre Partei uns unterstützen, die Zusammenarbeit von behinderten und
nichtbehinderten Menschen in unseren Sozialunternehmen voranzutreiben? Wir
können Menschen Beschäftigung und Perspektive bieten, die ihnen der
Arbeitsmarkt verwehrt.
Die Linke: Für DIE LINKE bleiben dieWerkstätten wichtig für die Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen
mit Behinderungen. Sie sind mittelfristig als Integrationsbetriebe mit sozialen
Dienstleistungsangeboten weiterzuentwickeln (Bundestagsdrucksache 17/9758). Dann wäre
die Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Behinderungen gewährleistet.
DIE LINKE will die Werkstatträte stärken und tritt für Frauenbeauftragte in Werkstätten ein,
um die Interessenvertretung der Werkstattbeschäftigten weiter zu entwickeln und
gemeinsame Lösungen mit den in der Regel nicht behinderten Werkstattmitarbeiter/-innen zu
befördern. DIE LINKE tritt sowohl für eine Weiterentwicklung der
Werkstättenmitwirkungsverordnung als auch des SGB IX in diese Richtung ein.