Mit diesem Ergebnis hatte in Rheinland-Pfalz selbst die SPD nicht gerechnet. Die absolute Mehrheit für die SPD und für Kurt Beck bedeutet gleichzeitig das Aus der 15-jährigen rot-gelben Koalition in Mainz.
Für unsere Landesarbeitsgemeinschaft wird es wichtig sein, Mitverantwortung für die Weiterentwicklung des Sozialstaates in Rheinland-Pfalz zu übernehmen. Denn der Sozialstaat ist gerade dann gefragt, wenn soziale Probleme zunehmen und soziale Unterschiede größer werden. Gerade in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels müssen die Grundprinzipien der Solidarität und Gerechtigkeit unveränderlich Geltung haben. Eine wirksame Interessenvertretung der Werkstätten erfordert eine aktive Mitarbeit an den sozialpolitischen Grundsätzen in unserem Bundesland. Wir müssen mithelfen, den Sozialstaat offensiv zu verteidigen. Den Sozialstaat mitzugestalten und sich dabei an Solidarität und Gerechtigkeit zu orientieren, ist auch Sache der Werkstattpolitik. Deshalb hat unsere LAG WfbM auch die „Sozialcharta Rheinland Pfalz“ mit unterschrieben, in der nachhaltig dafür geworben wird, daß soziale Sicherheit und umfassende Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte ein wesentliches Fundament des demokratischen Sozialstaates sind. Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat der Politik für Menschen mit Behinderung in den letzten 15 Jahren einen großen Stellenwert eingeräumt. Viele auch bundesweit beachtete Initiativen, wie z. B. das persönliche Budget, zeigen den bisherigen Willen auf, nachhaltig mehr Selbstbestimmung behinderter Menschen zu verwirklichen.
Die Werkstätten für behinderte Menschen in Rheinland-Pfalz haben von diesem hohen Stellenwert der Politik für behinderte Menschen profitiert und verfügen über eine hohe Qualität ihrer Leistungen. Mit dem erst kurz vor der Landtagswahl getroffenen Abschluß einer Zielvereinbarung zur Stärkung der Integration von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben und zum Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt (Zielvereinbarung für Werkstätten für behinderte Menschen) und der Einführung eines „persönlichen Budgets für Arbeit“ wurden gemeinsam mit der LAG WfbM Rheinland-Pfalz Weichen gestellt, die nun mit der neuen Landesregierung umgesetzt werden können.
Es darf deshalb spannend werden, welche Ziele der Werkstattpolitik in den kommenden fünf Jahren angepackt werden.
Unsere Landesarbeitsgemeinschaft wird dabei verstärkt den Dialog mit den gewählten Landespolitikern und den kommunalen Politikern fördern und sich dafür engagieren, daß die Forderungen unseres Mainzer Werkstattgespräches vom 1. Februar 2006 in der Landespolitik für behinderte Menschen zur Geltung gebracht werden:
Es müssen große Anstrengungen unternommen werden, um den Menschen, die auf die Beschäftigung in einer Werkstatt als einzige Alternative angewiesen sind, auch künftig eine gute Förderung garantieren zu können. Wir vertrauen dabei auf die Unterstützung aller politisch Verantwortlichen, den Rechtsanspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Werkstatt uneingeschränkt zu erhalten. Eingliederungshilfeleistungen müssen weiter als Rechtsgarantie gewährt werden und dürfen nicht abhängig von der jeweiligen Haushaltslage einer Kommune werden.
Wir setzen uns dafür ein, daß schwerstbehinderte Menschen und ältere behinderte Menschen je nach ihren individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen am Arbeitsleben weiter teilhaben können.
Werkstätten wollen mit ihren Produkten und Dienstleistungsbereichen weiter wirtschaftlich erfolgreich sein und Arbeitsbedingungen ermöglichen, die den Bedingungen der modernen Arbeitswelt entsprechen. Dieser Qualitätsanspruch läßt sich nur durch Investitionen in die Ausstattung und die Absicherung einer bestmöglichen fachlichen Anleitung in der Zukunft einlösen.
Wir werden die Möglichkeiten für Werkstattbeschäftigte (z. B. Außenarbeitsplätze) ausbauen, um ihren Weg aus der Werkstatt heraus auf den ersten Arbeitsmarkt zu fördern. Wir wollen Werkstattbeschäftigte durch mehr Anreize dazu motivieren, außerhalb der Werkstatt und zu ungewohnten Arbeitszeiten tätig zu sein.
Der Eingangs- und Berufsbildungsbereich kann im Sinne von modularen Ausbildungsabschnitten weiterentwickelt werden, um geeigneten Menschen mit Behinderungen andere Qualifizierungsmöglichkeiten anzubieten und eine Vernetzung mit anderen Ausbildungsangeboten, z. B. in Berufsbildungswerken, zu erreichen.
Die Anforderungen eines globalisierten Arbeitsmarktes und die damit einhergehende Arbeitsverlagerung in Länder, die kostengünstigere Angebote unterbreiten, stellen eine große Herausforderung für die Werkstätten dar. Wir brauchen zur Bewältigung eine engere Partnerschaft mit der heimischen Wirtschaft und möglichst viele regionale Allianzen und Kooperationen, um die anbietbare Brandbreite der Produkte und Dienstleitungen in den Werkstätten zu erhalten.
Viele Aufgaben warten in den nächsten fünf Jahren auf uns. Wir werden sie anpacken.
Michael Kröselberg, Vorsitzender der LAG WfbM Rheinland-Pfalz