Einen Tag vor dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen, der heute am 3. Dezember 2019 stattfindet, veröffentlichte Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, erstmals Teilhabeempfehlungen an die Bundesregierung.
„Die Teilhabeempfehlungen sollen der Bundesregierung Hinweise geben, an welchen Stellen Handlungsbedarf besteht. Wichtig ist mir: Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – und damit ist sie auch eine gemeinsame Aufgabe aller Ressorts der Bundesregierung“, so Dusel.
Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-BRK) richtet er mit den Teilhabeempfehlungen Schlaglichter vor allem auf sechs Bereiche: Gesundheitsversorgung, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, Wohnen, Teilhabe am Arbeitsleben, Digitalisierung und Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG).
Teilhabe am Arbeitsleben
Hier gehen die Teilhabeempfehlungen insbesondere auf Menschen mit psychischen Behinderungen und Suchterkrankungen ein. Der Anteil von Menschen, die aufgrund von seelischer beziehungsweise psychischer Erkrankung frühzeitig in Rente gingen, sei in den letzten 22 Jahren von 18,6 auf 43 Prozent gestiegen. Im Hinblick darauf wird empfohlen, die Zuverdienstbeschäftigung als Teilhabeinstrument für diesen Personenkreis auszubauen und rechtlich zu verankern.
Ferner kritisiert Dusel in den Teilhabeempfehlungen die bürokratischen Hürden für Arbeitgeber. Im Leistungsrecht müssen transparente, verlässliche und unbürokratische Strukturen in Form einer trägerübergreifenden autorisierten zentralen Ansprechstelle geschaffen werden, die Leistungen aus einer Hand gewähren kann. Außerdem läge der Anteil der beschäftigungspflichtigen Unternehmen, die keine einzige schwerbehinderte Person und ihr gleichgestellte Arbeitskraft beschäftigen, seit Jahren unverändert bei rund 25 Prozent. Daher fordert Dusel einen zusätzlichen, signifikant höheren Staffelbetrag bei der Ausgleichsabgabe in Höhe von mindestens 650 Euro – für die Unternehmen, die vollständig gegen die Beschäftigungspflicht verstoßen und keinen einzigen Menschen mit Behinderungen einstellen.
Umsetzung BTHG
Die Teilhabeempfehlungen gehen auch auf die dritte Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes ein. Die zum 1. Januar 2020 in Kraft tretende Trennung der existenzsichernden Leistungen von den Fachleistungen stelle viele Menschen mit Behinderungen und ihre Betreuungspersonen vor große bürokratische Herausforderungen. Daher müssen alle am Umsetzungsprozess beteiligten Akteure dazu beitragen, insbesondere Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen sowie ihre Angehörigen zu empowern und dort zu unterstützen, wo es notwendig ist.
Erschwerend käme hinzu, dass noch längst nicht alle Bundesländer die für die Reform nötigen rechtlichen Voraussetzungen, die Landesrahmenverträge, geschaffen haben. Der heterogene Umsetzungsstand in den Ländern ließe befürchten, dass das BTHG in den Bundesländern unterschiedlich umgesetzt wird. Das Ziel müssen jedoch gleichwertige und gute Lebensverhältnisse in allen Bundesländern sein.
Digitalisierung
Im Zuge der Digitalisierung dürfe man nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen. So heißt es in den Teilhabeempfehlungen: „So wie auch ein fertiges Gebäude im Nachhinein nur sehr schwer „barrierefrei gemacht“ werden kann, gilt dies auch für die Architektur einer Software oder einer Internetseite. Barrierefreiheit muss von Beginn an mitgedacht werden und darf nicht erst im Nachhinein aufgesetzt werden – dann wird es auch nicht umständlicher und teurer.“
Deshalb wird empfohlen, den Europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit konsequent und zeitnah umzusetzen: Dabei müsse die Bundesregierung Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände sowie die betroffenen Unternehmen rechtzeitig informieren und beteiligen.
Alle Ressorts der Bundesregierung werden zur Zusammenarbeit aufgefordert. In der Digitalstrategie der Bundesregierung müsse Barrierefreiheit zum roten Faden werden. Das Themenfeld Digitalisierung und Inklusion müsse als Querschnittsaufgabe auch mit entsprechenden Stellen innerhalb der Bundesregierung abgebildet sein.
Und schließlich fordern die Teilhabeempfehlungen dazu auf, Universelles Design verpflichtend in IT-Ausbildungsgängen und -Studiengängen zu verankern. So werde sichergestellt, dass beispielsweise digitale Barrierefreiheit in IT-Anwendungen von Anfang an bei der Entwicklung berücksichtigt wird. Der IT-Planungsrat solle hierzu entsprechende Ideen entwickeln.
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