Seit längerem gibt es einen Rechtsstreit über die Frage, ob der Beitragszuschlag für kinderlose Werkstattbeschäftigte in der Pflegeversicherung, den die Werkstatt abführt (§ 59 Abs. 1 SGB XI), erstattet wird. Jetzt hat das Sozialgericht Gießen die Klage negativ beschieden.
Grund für die Klage war die Auffassung, daß der Gesetzgeber dem behinderten Menschen aus seiner Arbeit in der Werkstatt ein Arbeitsentgelt zukommen lassen wolle, das nicht durch Beiträge zur Sozialversicherung gekürzt wird. Das Gesetz schreibt zudem vor, wofür das erwirtschaftete Arbeitsergebnis verwendet werden darf: eine Verwendung zur Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen sei nicht vorgesehen und somit untersagt. Da aber § 59 Abs. 5 SGB XI verfügt, daß das Mitglied den Zuschlag von 0,25% aus seinen Bezügen zu tragen habe, entspricht dieser Betrag in der Regel 0,76%, da er bei den Werkstattbeschäftigten nach der Bezugsgröße berechnet wird. Damit macht er das dreifache des eigentlichen Betrages aus. Einen solchen Solidarbeitrag könne das Bundesverfassungsgericht nicht gemeint haben, zumal u. a. Zivildienstleistende und Auszubildende, die nicht mehr als 325 Euro im Monat verdienen, vom Zuschlag befreit sind.
Das Sozialgericht Gießen befand, die Klage sei unbegründet. Aus den einschlägigen Gesetzestexten (§ 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in Verbindung mit § 251 Abs. 2 SGB V) ergibt sich kein Erstattungsanspruch, da nicht der Träger der Einrichtung diese Beträge zu leisten hat, sondern das Mitglied.
Die Frage, ob das Tragen der Beiträge durch das Mitglied (hier den Werkstattbeschäftigten) verfassungswidrig sei, ließ das Gericht jedoch unbeantwortet. Tatsächlich könne diese Klage an dieser Stelle nicht vorgetragen werden, da der Kläger (die Werkstatt) damit nicht eigene subjektiv-öffentliche Rechte geltend macht, sondern die Rechte Dritter.
Damit ist nach dem Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.04.2006 bereits die zweite Klage in dieser Sache negativ beschieden worden. Auffällig ist jedoch, daß sich das Gericht auch dort nicht zu der Frage äußerte, ob die Erhebung der Beiträge von Werkstattbeschäftigten, deren Arbeitsentgelt unter dem Existenzminimum liegt, verfassungswidrig ist. Die BAG WfbM wird neue Klagewege prüfen.