Politik 20.05.07
Schärfere Kontrolle der Rentenversicherungszuschüsse
Am 23. April 2007 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Focus unter der Überschrift „Zuschüsse zu hoch? Genauer hinsehen: Rentenbeiträge für Behinderte sollen stärker kontrolliert werden“ einen Artikel, der die genauere Prüfung der Zuschüsse zur Rentenversicherung thematisierte. Darin heißt es unter anderem, daß durch falsch berechnete Zuschüsse dem Bund Millionenschäden entstehen würden. Deswegen seien schärfere Kontrollen notwendig, die auch zu Benachteiligungen behinderter Menschen führen könnten:

„Schärfere Kontrollen von Zuwendungen des Bundes an Behinderte verlangen Haushaltspolitiker des Bundestags und des Bundesrechnungshof. Nach dessen Recherchen entstehen Millionenschäden durch falsch berechnete Zuschüsse zur Rentenversicherung von Behinderten, die in Werkstätten arbeiten. Der Rechnungsprüfungsausschuß forderte das Bundessozialministerium auf, einen Gesetzentwurf für genauere Prüfungen vorzulegen. 155 Euro Durchschnittslohn pro Monat bekommen die 260.000 Behinderten mit Anspruch auf Rentenversicherung, die in etwa 850 Werkstätten arbeiten. Der Bund bessert ihre Rentenbeiträge erheblich auf, im vergangenen Jahr mit insgesamt einer Milliarde Euro. Für die Bundesarbeitsgemeinschaft der Behindertenwerkstätten sind die Vorwürfe des Rechnungshofs ,teilweise nicht belegt’ Schärfere Kontrollen könnten ‚im Einzelfall auch zu Benachteiligungen behinderter Menschen führen’"

Der Focus hat sich bei der BAG WfbM im Zuge seiner „Recherchen“ über den Sachverhalt informiert. Über die Absicht des Gesetzgebers auf Aufforderung des Bundesrechnungshofes einen Gesetzentwurf vorzulegen, war uns bis dahin nichts bekannt. Deshalb haben wir uns sofort an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gewandt. Selbstverständlich wurde der Focus von uns umfassend über das Berechnungs- und Erstattungsverfahren – auch mit Beispielen – unterrichtet. Die unklaren Aussagen des Artikels sind völlig aus der Luft gegriffen.

Jeder, der Werkstätten kennt, weiß, daß das komplizierte Berechnungs- und Erstattungsverfahren nur computergestützt erfolgen kann und es für Fehlberechnungen eigentlich keinen Raum gibt. Zudem werden die Werkstätten alle zwei Jahre von den Sozialversicherungsträgern danach geprüft, ob die Sozialversicherungsbeiträge korrekt berechnet und abgeführt worden sind. Schließlich sind alle Werkstätten rechtlich verpflichtet, sich jährlich von zugelassenen Wirtschaftsprüfern prüfen zu lassen. Berechnungsfehler fallen daher sofort auf, ein Abgleich zwischen den Lohn-, Anwesenheits-, Sozialversicherungs- und Erstattungslisten ist eine technische Kleinigkeit.

Die BAG WfbM kann nicht nachvollziehen, welche Fehler der Bundesrechnungshof aufgedeckt haben will. Die Rentenversicherungsbeiträge sind für die Werkstätten nichts weiter als durchlaufende Posten. Fehlberechnungen müssen den Prüfinstanzen (Sozialversicherungsträger, Wirtschaftsprüfer) ebenso auffallen wie den Ländern. Diese haben natürlich kein Interesse daran, höhere Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen, als unbedingt notwendig. Absolut nicht nachvollziehbar ist, daß der Prüfungsausschuß des Bundestages glaubt, die gesetzliche Regelungsdichte für die Werkstätten müsse noch enger zu gestaltet werden.

Am 9. Mai 2007 erhielten wir auf unsere Anfrage beim BMAS folgende Antwort:

„Der Bundesrechnungshof prüft seit Jahren in den Werkstätten für behinderte Menschen die für den Bund geleisteten Erstattungen an Rentenversicherungsbeiträgen, die von den Werkstätten als ‚Arbeitgeberanteil’ nach den Vorschriften des SGB VI getragen werden (§ 168 Abs. 1 Nr. 2, § 179 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Hierbei hat der Bundesrechnungshof (für einen Zeitraum bis zum Jahre 2003) Feststellungen getroffen, die in dem von Ihnen zitierten Bericht (Bundestagsdrucksache 16/3200, S 142) genannt sind. Die von Ihnen zitierte Aussage, bei den Angaben zur Erstattung seien ‚falsche Angaben’ (durch die Werkstätten) erfolgt, findet sich in dem genannten Bericht nicht.

Richtig ist, daß der Bundesrechnungshof Überzahlungen zu Lasten des Bundes auf das in der Aufwendungserstattungsverordnung vorgeschriebene Abrechnungs- und Prüfungsverfahren zurückführt und deshalb eine Gesetzesänderung fordert. Für die Ausführung des Erstattungsverfahrens sind die Länder zuständig. Bisher fand sich keine Mehrheit für eine zustimmungsbedürftige Änderung der gesetzlichen Vorschriften. Nachdem jedoch der zuständige Ausschuß des Deutschen Bundestages zur Vorlage eines Gesetzentwurfs aufgefordert hat, sind die notwendigen Gespräche mit den Ländern wieder aufgenommen worden. An einem ordnungsgemäßen Erstattungsverfahren hat der Bund selbstverständlich ein hohes Interesse. Für die in den Werkstätten beschäftigten behinderten Mensachen hat der Bund im Jahr 2005 Beitragszahlungen an die Rentenversicherung in Höhe von rund 957 Mio. Euro erbracht.“

Weiter heißt es in dem Schreiben: „Es bestand bisher keine Veranlassung, sich öffentlich zum Wunsch des Bundesrechnungshofes Angaben zur Haltung des zuständigen Bundesministeriums nach außen zu machen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen wird an einem Gesetzgebungsverfahren, wie in solchen Verfahren üblich und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Vergangenheit auch praktiziert, selbstverständlich beteiligt.

Befürchtungen, die Maßnahmen richteten sich gegen die Werkstätten und könnten auch zu Benachteiligungen der beschäftigten behinderten Menschen führen, sind nicht begründet. Mit einer Rechtsänderung, mit der Fristen für die Prüfung der Erstattungsverfahren verlängert werden sollen, erfolgt keine Änderung des materiellen Rechts. Ansprüche der berechtigten behinderten Menschen werden überhaupt nicht berührt.“

Die beschwichtigende Antwort des BMAS stellt manches klar, kann aber nicht vollkommen beruhigen. Eine neue gesetzliche Regelung wird nicht zu dem von der Bundesregierung propagierten Bürokratieabbau, sondern zu einer noch stärkeren Überregulierung des Werkstättenrechts führen. Auch sollte bedacht werden, daß ein solcher Vorstoß nicht nur die Werkstätten populistisch in Mißkredit bringen kann. Die BAG WfbM wird die Entwicklung beobachten und entsprechend intervenieren.


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